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Empty Mile

Empty Mile

Titel: Empty Mile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Stokoe
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darauf, da zog er ein Taschentuch heraus und wischte es weg. Er hielt das Taschentuch vor sich und betrachtete den kleinen roten Fleck seines Blutes. Er drehte es, damit ich es sehen konnte. Und da lachten wir beide über die Tatsache, dass wir diesen Irrsinn von Gewalt und Lärm und Gefahr überstanden hatten und nichts weiter vorweisen konnten als ein paar kümmerliche Tropfen Blut. Wir konnten ziemlich lange nicht aufhören zu lachen, doch schließlich fiel die Anspannung von uns ab, und wir stiegen aus dem Auto aus.
    Der Zusammenprall mit der Leitplanke hatte die gesamte rechte Seite des Autos eingedrückt. Die Hinterreifen ragten zwar über den Rand hinaus, doch das Auto ruhte stabil auf dem Unterboden und bewegte sich nicht, als wir beide durch die Fahrertür ausstiegen. Zwei Meter unter uns floss ein kleiner Bach in die Öffnung des Rohrs und unter der Straße hindurch. Auf beiden Seiten der Brücke standen Bäume, dahinter Häuser. In einem Garten standen ein Mann und eine Frau mittleren Alters und sahen nervös zu uns herüber. Sie hielten sich an den Händen und winkten uns zu.
    Zehn Minuten später war die Polizei zur Stelle; mein Vater beantwortete Fragen für ihren Bericht. Sie sagten uns, wir wären nur so glimpflich davongekommen, weil wir seitlich gegen die Leitplanke geprallt wären. Wären wir vorwärts durchgeschossen, sagten sie, wären wir in den Bachlauf gestürzt, und der Aufprall wäre mit Sicherheit unser Tod gewesen. Ein paar Leute, die herbeigeeilt waren, um sich den Schaden anzusehen, nickten, gaben zustimmende Laute von sich und betonten, dass es ein Wunder sei, dass wir noch lebten. Die Polizisten riefen eine Werkstatt an, damit sie das Auto abschleppten, dann fuhren sie uns in die Stadt.
    Als wir dort eintrafen, ging es schon auf Mittag zu; mein Vater hatte keine Zeit mehr, zu frühstücken. Ich vereinbarte, dass ich ihn nach der Arbeit abholen würde, dann schlenderte ich eine halbe Stunde allein durch die Stadt und trank einen Espresso. Ich wollte mir gerade an dem kleinen Stand in der Altstadt ein Taxi nehmen, als mir zwei dunkle Fahrzeuge auffielen. Ein Leichenwagen und eine Limousine, beide mit dem Schriftzug eines Bestattungsunternehmens in goldenen Buchstaben auf der Seite. Der Leichenwagen beförderte einen hellbraunen Sarg, während in der Limousine nur ein Passagier saß, ein Mann im dunklen Anzug mit einer Rose am Revers. Er saß auf dem Rücksitz und blickte starr geradeaus. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass Bill Prentice allein sein würde. Er war seit Jahr und Tag eine prominente Figur und angesehen. Wenn ich mir die Beerdigung seiner Frau vorstellte, dachte ich an einen langen Autokonvoi, eine Unzahl Kränze, scharenweise Leute, mit denen er Geschäfte machte oder denen er schon Gefallen getan hatte. Ich stellte mir ein Großereignis vor.
    Aber nichts davon, nur zwei einsame Autos, die an mir vorbeifuhren. Sie machten einen abweisenden, hermetischen Eindruck, als wollten sie ihre Trauer mit niemandem teilen und so schnell wie möglich wieder aus dem Blickfeld verschwinden. Ich blickte ihnen auf der Straße nach und sah gelegentlich Bremslichter aufleuchten, wenn sie wegen des Verkehrs langsam machten oder an einer Ampel halten mussten. Dann bogen sie um eine Kurve und verschwanden.
     
    Ich war noch nicht lange zu Hause, da setzte Rachel, die Geschäftsführerin des Gartenzentrums, Stan vor dem Haus ab. Er kam atemlos den Flur entlang zur Küche gelaufen. Er hatte Neuigkeiten.
    »Bill hat das Gartenzentrum geschlossen.«
    »Ja, ich glaube, heute ist Pats Beerdigung.«
    »Nein, ich meine für immer. Als ich hinkam, hat Rachel allen ihren letzten Gehaltsscheck gegeben und gesagt, dass wir nicht wiederkommen sollen. Bill ist so traurig, dass er nicht wieder öffnet. Er will nicht einmal mehr in seinem Haus wohnen. Er hat sich in seine Blockhütte in den Bergen zurückgezogen. Rachel sagt, er hat alle Möbel verkauft.«
    »O Mann, dein Job …«
    »Nein, Johnny, das ist doch gut. Jetzt kann ich mich total um Plantasaurus kümmern. Und weißt du was? Rachel sagte mir, Bill hätte ihr aufgetragen, dass ich alle großen Pflanzen haben kann, gewissermaßen als Starthilfe, und auch alle Säcke mit Blumenerde. Als Belohnung wegen dem Bären.«
    Stan ging zum Kühlschrank und holte sich eine Cola.
    »Du solltest nicht so viel von dem Zeug trinken. Es ist nicht gut für dich.«
    »Was redest du da, Johnny? Das gibt einem Energie.«
    »Es besteht nur aus Zucker.«
    »Na, logo.«

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