Ende einer Welt
Diener? Und wenn man
ihn auch gewünscht hätte, wo fand man ihn? Bei den
Nachkommen des Bären, in denen das gleiche Blut, das des
großen Ahnen, lebte, war die Pflicht des Mannes und sein
Stolz: Frau und Kinder und die greisen Eltern zu ernähren. Sie
bildeten ein freies, adeliges Volk. Und wenn die Händler
berichteten, daß jeder von ihnen zu Hause zehn Diener habe,
dann lachten die »Bären«. Wozu brauchen sie
Diener? Waren sie denn Weiber, die sich ihre Nahrung nicht selbst
beschaffen konnten?
Diese Diener waren von schwarzer Hautfarbe, ihr Haar war
gekräuselt, sie hatten wulstige Lippen und eine breite,
eingedrückte Nase. Wenn sie lachten, zeigten sie
weiße Zähne wie die eines Wolfes. Abends im Lager bei
dem Feuer, das sie auch im Sommer anzündeten, sangen sie mit
ihren weichen Stimmen so traurige Lieder, daß man den
Gegensatz zwischen ihrem Lachen und ihrem Singen nicht genug bestaunen
konnte. Es war, als würden zwei ganz verschiedene Menschen in
ihnen leben. –
No und Mah erwarteten die Händler immer schon mit
Ungeduld. Neue Halsketten würden sie bekommen,
schmücken würden sie sich können! Gingen
Wünsche höher? Dennoch betrachtete No, wenn er auch
gerne ihren Erzählungen lauschte und seine Jagdbeute
vorteilhaft an sie abließ, diese Fremden mit ein wenig
Geringschätzung, war doch ihre Lebensweise von der seinen
allzu verschieden. Für Mah aber stellten sie das
Schönste dar, was ihrer Phantasie Anregung gegeben hatte. Das
Los dieser herrlichen Männer, welche die Welt, von ihren
Dienern gefolgt, durcheilten, schien ihr beneidenswert.
Sehnsüchtige Träume erweckten sie in ihr, und wenn
sie fortzogen, dann folgte ihnen die Seele dieses Kindes und
vergaß das Land und die Wohnstätten, in denen die
Leute vom Fluß in Kälte und Feuchtigkeit lebten.
Sobald die Händler sich in der Waldlichtung
niedergelassen hatten, galt ihr erster Besuch dem Häuptling,
dem sie die üblichen Geschenke, Perlmuttermuscheln und
duftende Kräuter, überreichten. Nach
Erfüllung dieser Pflicht befaßten sie sich mit ihren
Geschäften.
Eines Tages, kurz nach Sonnenaufgang, sah Mah einige der
Händler in der Nähe der Terrasse. Es waren nur
fünf, vermutlich hatten die anderen ihr Zelt noch nicht
verlassen. Ein Schwarzer zog an der Spitze der kleinen Schar, und
suchte den Weg in dem Geröll der Felsen. Hinter ihm ging
Nachor, der Führer der Händler, ein beleibter
großgewachsener Mann. Ihm folgten ein Jüngling,
dessen schlanke, fast mädchenhafte Gestalt und breite
Schultern ihr auffielen, und zwei schwarze Diener, die mehrere
Säcke trugen.
Am liebsten hätte Mah sie nicht einen Augenblick aus
den Augen gelassen. Eine plötzliche Überlegung
hieß sie jedoch in die Hütte eilen. Sie nahm dort
etwas Rot und Schwarz aus gehöhlten Steinen, einige Blumen,
die sie am Tage vorher gepflückt hatte, und machte sich am
Ufer des spiegelnden Baches schön. Akeleien und Narzissen
steckte sie in ihr Haar, sie färbte den Bogen ihrer Lippen,
und mit ein wenig schwarzem Staub unterstrich sie ihre Augen, die wie
der Morgen leuchteten.
Kaum war sie fertig geworden, als der Neger, der den Zug
eröffnete – köstliche
Überraschung! – schon bei ihr angelangt war.
Furchtsam lief sie zunächst zu ihrer Mutter, um sie zu holen.
Timaki hatte die Fremden kommen sehen; schon verneigte er sich vor
ihnen, und sie erwiderten seinen Gruß mit großen
Ehrenbezeugungen, ähnlich jenen, die die Mädchen
tanzend vor der heiligen Eiche ausführen. Dann hockten sie vor
dem Eingang der Hütte nieder, wo No, hochmütig und
ganz vertieft ein Renntierbild in ein Stück Horn schnitzend,
ihr Kommen nicht beachtete.
Mah betrachtete sie halb verborgen. Ihre Kleider waren aus dem
gefleckten Fell eines Tieres gemacht, das Mah nicht kannte, und
besaßen einen ganz anderen Schnitt, als die der Leute am
Fluß. Ihr Wams war länger und fiel faltig bis zu den
Knien, was Mah ausnehmend gut gefiel. Um die Stirne trug Nachor ein
Band aus aneinandergereihten Federn des Eisvogels, blau wie der
Morgenhimmel im Hochsommer. Wenn man ihn nur betrachtete, verstand man
schon aus der Art, wie er den Kopf zurücklegte und den Bauch
gewichtig vorstreckte, daß dieser Häuptling der
Händler ein bedeutender Mann sein mußte. Seine
große Adlernase war wie der Griff eines Führerstabes
gebogen, und sein buschiger Bart fiel in dichten Locken auf die Brust.
Aber erst sein Sohn, der ihm folgte!
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