Ende einer Welt
Er besaß den Schwung und
die Geschmeidigkeit des Farnkrautes, die leuchtenden Augen des
Schneehuhnes und wiegte sich in den Hüften, gleich dem
Schilfrohr am Flusse, wenn die Abendbrise darüber hinstreicht.
Doch seine Schultern waren breit und mächtig wie die eines
jungen Bisons.
Mah stand sprachlos mit offenem Munde. Wie angezogen von
diesem wunderschönen Jüngling kam sie
zögernden Schrittes aus ihrem Verstecke hervor und blieb
hinter ihrem Vater stehen. Nun sahen sie die Händler und
blickten erstaunt auf die Schönheit ihres Antlitzes und die
Anmut ihres Schreitens.
»Mah!« sprach Nachor überrascht und
neigte den Kopf gegen sie.
Sie aber wußte sich vor Stolz kaum zu fassen,
daß ein so mächtiger Mann sich ihrer und ihres Namens
erinnerte.
»Als ich sie das letztemal sah,« fuhr er
fort, »war sie ein Kind, und jetzt finde ich sie als Blume
wieder. Glücklich, wer sie pflücken wird!«
Sein Sohn sagte nichts. Seit dem Augenblick, da Mah erschienen
war, hatte er keinen Blick von ihr gewandt. Sie fühlte das
süße, heiße Feuer seiner Augen, das sie
durchflutete und sengend in ihr brannte. Sie zürnte ihm, weil
er ihr Leiden schuf.
Timaki hatte indessen die Zobelfelle aus ihrem Versteck
geholt. Als man immer mehr vor den Händlern ausbreitete, rief
seine Frau: »Ba! ba! ba!« als könnte sie
ihre Bewunderung nicht bändigen.
Nachor nahm die Felle in die Hand, befühlte sie und
zog an ihren Haaren. Dann, nachdem er sie beiseite gelegt hatte, gab er
einem Diener ein Zeichen, und dieser brachte einen schweren Sack
herbei, den er vor ihn niederlegte.
Der Händler öffnete ihn und zog die
perlmutterschimmernden Muscheln hervor; sie glichen der
Morgenröte an einem klaren Himmel. Dann wählte er mit
größter Behutsamkeit eine Kette von rosa Muscheln,
die ganz die Farbe frischerblühter Heckenrosen hatten. Er
erhob sich, näherte sich Mah, verneigte sich vor ihr und
ließ die Kette auf ihren Hals gleiten.
»Dies ist die schönste, sie sei für
dich«, sprach er.
Timaki aber, ohne auch nur die Schätze Nachors
anzusehen, nahm ruhig die Zobelfelle wieder zusammen und warf sie in
die Hütte.
Sie sprachen nun von anderen Dingen. Diese Gespräche
mit den Händlern, die jeden Tauschhandel unterbrachen, waren
bei den Leuten vom Fluß ungemein beliebt. Sie brachten ihnen
einzige Kunde von Ländern, von denen sie nicht einmal eine
Vorstellung hatten, wo diese gelegen waren. Die Leute vom Flusse
hörten ernsthaft zu. Eine geheimnisvoll fremdartige Welt
sandte durch den Mund dieser Händler ihr Raunen bis in die
friedlichen Wohnstätten der Bärensöhne. Sie
hörten von Wanderungen ganzer Völker über
phantastische Entfernungen, gleich gewaltigen Strömen, deren
letzte Welle vielleicht einst hier am Fuße der Terrasse
ersterben konnte. Dann erzählten auch sie von ihrem Leben, das
täglich mühsamer wurde, von den trügerischen
Jahreszeiten, von dem Verschwinden der Renntiere.
Sie erzählten lange, dann begann von neuem die
Unterhaltung über den geschäftlichen Zweck des
Besuches.
Diesmal zog Nachor die Gewürze aus dem Sack. Bahili
trat näher, legte eine Fingerspitze voll davon in ihre
gewölbte Hand, führte sie witternd an ihre Nase oder
kostete mit einem raschen Schlag der Zunge davon. »Ba!
ba!« sagte jetzt der Anführer lächelnd.
Sein Sohn, der den Namen Ophir trug, nahm aus der Hand eines
der Diener ein rotbemaltes kleines Säckchen. Er trat zu Mah
und überreichte es ihr mit liebenswürdiger Geste. Ein
Duft stieg daraus hervor, stark und angenehm, den sie noch nie
eingeatmet hatte. Sie blieb stumm, mit halbgeschlossenen Augen. Ophir
wiegte sich vor ihr in den Hüften. Er trat noch einen Schritt
näher. Sein Vater, Timaki und Bahili waren in ihre
Geschäfte vertieft und beachteten sie nicht. Ophir strich mit
der Hand über den Rücken Mahs, streifte mit den
Fingerspitzen die Renntierweste, und glitt vom Hals, den er leicht
berührte, bis zu den Lenden, während aus seiner Kehle
ein leichtes Geräusch wie das Girren eines Taubers klang. Mah
fühlte durch ihre Kleidung die Liebkosung auf der Haut. Ihre
Beine begannen zu zittern. Es war fast nicht zu ertragen. Und doch
hätte sie gewünscht, daß es ewig
währe ...
Das Feilschen hinter ihnen dauerte indessen an. Die Zobelfelle
lagen ausgebreitet neben der Hütte. Die Säckchen aus
Rattenhaut mit ihrem duftenden Inhalt standen vor Bahili in Reih und
Glied. Jetzt ließ auch No
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