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Ende einer Welt

Titel: Ende einer Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Anet
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seine Arbeit und mengte sich in den
Handel. Der Kopfputz des Anführers gefiel ihm über
alles. Die Reflexe des Sonnenlichtes in den Federn ließen bald
die tiefblaue Farbe des Morgenhimmels, bald die Schattierungen eines
prächtigen Sonnenunterganges erstehen.
    Nachor bewahrte seine überlegene, zufriedene Miene.
Er sprach viel. Timaki blieb schweigsam. Bahili versorgte sich mit
Gewürzen. Im Fieber des Geschäftes beachtete niemand
die jungen Leute, die sich entfernt hatten.
    Ophir sprach mit leiser Stimme auf Mah ein. Schwach klang ihr
»Nein, nein«. Zwanzigmal war indes der Handel vor der
Hütte knapp vor dem Abschluß wieder
auseinandergegangen. Endlich zeigte Nachor noch eine aus den
Wirbelknochen einer Schlange gefertigte Kette, die so
gleichmäßig gearbeitet war, daß man eine von
der anderen nicht hätte unterscheiden können. Er
fügte sie seinen Säckchen hinzu. Damit war der Handel
geschlossen.
    Der Führer der Händler sprach jetzt zu
Timaki:
    »Du hast mich ganz ausgeraubt, mein Freund. Ich bin
jetzt arm. Es bleibt mir nichts übrig, als nach Hause
zurückzukehren. Doch höre zu, Timaki, wir kennen uns
schon seit so langer Zeit, und du wirst mich nicht täuschen.
Sage mir, ob du nicht noch ein Fell versteckt hältst, das
seltener ist als diese hier.«
    Timaki erwiderte nichts. Nachor wurde daraufhin nur noch
eifriger. Er warf sich halb ernst, halb scherzend vor Timaki auf die
Knie. Er umarmte ihn, tat, als ob er weinen würde, und brachte
Timaki zum Lachen. Schließlich trat Timaki in die
Hütte und kam mit dem Fell eines Silberfuchses
zurück, das er wortlos ausbreitete.
    Noch nie hatte Nachor ein solch prächtiges
Stück gesehen, und staunend verstummte er. Als er sich wieder
gefaßt hatte, zog er vom Grunde des Sackes ein Halsband von
eigenartigem Geschmack hervor; über einer Reihe von rosa
Muscheln lagen zwei Reihen Wirbel eines Hechtes, beide wurden in
gleichen Abständen von wunderbar
regelmäßigen Hirschzähnen unterbrochen.
Timaki aber ging nicht darauf ein. Endlich, nach langem Zieren, nahm
Nachor aus einem Hermelinsäckchen eine Muschel von der
Größe einer Hand, mit gewundenem Gang und von einer
Spitze zur anderen gespalten. Sie war fleischfarben, aber durch den
Spalt sah man das Innere der Muschel, das blutrot gefärbt war.
Timaki, Bahili und No betrachteten sie staunend. Wer von den Leuten des
Flusses konnte sich rühmen, einen solchen Schatz sein eigen zu
nennen?
    »Es ist das Kostbarste, was ich besitze«,
sprach der Händler. »Diese Muschel stammt nicht aus
unserem Meere, sondern aus jenem, das – wie man
erzählt – gegen Sonnenaufgang zu das Land der
Gewürze bespült. Jene, die sie zu uns brachten, haben
auf ihrer Reise zwölfmal den Vollmond am Himmel aufgehen und
verschwinden gesehen. Nie dachte ich, mich von ihr zu trennen. Jetzt
liegt sie hier vor deinen Füßen. Nimm sie und sprich
kein Wort, denn mein Herz blutet.«
    Er seufzte. Ein Schweigen entstand. Dann ließ Timaki
den Silberfuchs los und bemächtigte sich der Muschel.
    Nachor zeigte noch immer seine bekümmerte Miene, doch
im Innern war er überaus befriedigt. Auf seiner ganzen Reise
hatte er nirgends so gut bearbeitete Zobelfelle gesehen. Und erst der
Silberfuchs! Das war ein wunderbares Stück. Wie mochte es nur
diesen Frauen, Bahili und der kleinen Mah, gelingen, die Felle, die sie
bearbeiteten, so wundervoll geschmeidig zu erhalten? Da lag ein
Geheimnis versteckt, dessen Preisgabe wohl manches Opfer wert
wäre! Er hob den Blick und sah seinen Sohn, der zu Mah geneigt
stand, die zu ihm auflächelte. Und da wußte er,
daß es nicht allzu schwer sein werde, dieses Geheimnis und
obendrein noch das Mädchen selbst zu erringen. Gewachsen wie
sie war, würde sie ihm schöne Enkel schenken. Doch
dies war eine andere Sache als die Geschäfte, die er
täglich abschloß. Es konnte Schwierigkeiten geben.
Die Leute vom Fluß waren von Hochmut geschwellt. Wer nicht
Jäger war, zählte in ihren Augen nicht. Die Sache
wollte reiflich bedacht sein, nur mit List konnte sie gelingen ...
    Als er eben von Timaki Abschied genommen hatte, fiel sein
Blick auf das Stückchen Horn, in das No ein kniendes Renntier
geschnitzt hatte. Zerstreut nahm er es in die Hand, um es zu
betrachten. Niemals noch hatte er Ähnliches gesehen. Keines
von all den Völkern, mit denen er Handel trieb, war jemals auf
den Gedanken gekommen, lebende Tiere darzustellen. Was waren das doch

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