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Ende einer Welt

Titel: Ende einer Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Anet
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rückten heran,
ihnen sollten die Hochzeitsspiele folgen. Dank der Jahreszeit
vergaßen die Leute vom Fluß ihre Sorgen und dachten
nur daran, sich der schönsten Tage des Jahres zu freuen. Es
war wie eine Waffenruhe, und man war stillschweigend
übereingekommen, an die Zukunft mit all ihren Bedrohungen
nicht zu denken.
    Eines Morgens verbreitete sich die Kunde von Hütte zu
Hütte, daß die Händler eingetroffen seien.
Sie kamen fast jedes zweite Jahr, zu Beginn des Sommers, um die Felle
einzutauschen, die die Jägervölker gesammelt hatten.
Sie waren die einzigen Fremden, die wie Gäste empfangen
wurden. Die Nachbarstämme, mit denen die Nachkommen des
Bären in ständiger Berührung standen, waren
ja von gleicher Rasse wie sie selbst. In den Adern der Händler
aber rollte anderes Blut. Sie kamen aus weiter Ferne, und schon bei
ihrem bloßen Anblick erkannte man, daß sie wunderbare
Dinge erlebt haben mußten. Es waren große
Männer, mit königlicher Haltung. Ihre Hautfarbe war
matt, und schwarz wie die Nacht war ihr Haar und ihr
gekräuselter Bart. Ihre mandelförmigen Augen
glühten dunkel und heiß, und wenn sie sprachen,
entzückte der warme Tonfall ihrer tiefen Stimme.
    Sie wohnten nach ihren Erzählungen hundert
Tagemärsche weit, und ihre Reise dauerte also zwei Drittel des
Jahres. Im Frühling waren sie ausgezogen, und vor dem Herbst
würden sie nicht wieder heimgelangen. Auf ihrem Wege
mußten sie Einöden ohne Wasser durchqueren, in denen
Untiere lauerten, um sich vor Sonnenaufgang auf die Wanderer zu
stürzen. Man kam durch Gegenden, in denen es Menschen gab, die
den Kopf mitten auf der Brust trugen, und durch andere, wo den Leuten
ein Schweif tief am Kreuz herabging, mit dessen Hilfe sie sich auf den
Zweigen schaukelten. Hohe Berge hatten sie zu überwinden,
zwischen denen die Nebel auf Befehl eines boshaften Dämons
über den Abhängen der Schluchten hingen und dem
Reisenden den Weg verbargen, daß er sich im Sturz die Knochen
zerbrach. Wenn man alle diese Gefahren bestanden und durch
Sprüche die Geister und Dämonen gebannt hatte, dann
erst konnte man in das Land der Händler gelangen.
    Im Westen bespülte das unendliche Meer seine Ufer.
Doch im Süden und Osten dehnten sich andere Länder,
so das Reich der Glut und des Feuers. Der Sand brannte dort wie die
glühenden Steine des Herdfeuers und stieg manchmal als
Säule gegen den Himmel. Ein Baum entzündete sich
plötzlich, und sein ersterbendes Schimmern erschreckte nachts
den lauernden Jäger.
    Von dort nochmals hundert Tagemärsche weit wuchsen
die Gewürze, die der Vereinigung von Tier und Blume ihr Dasein
verdankten. Die Einwohner dieses Landes besaßen nur ein Auge
mitten in der Stirne. Niemals verließen sie ihre Heimat. Sie
ließen niemanden in ihr Land, um die kostbaren Produkte ihres
Bodens zu kaufen, außer den Angehörigen eines
benachbarten Stammes, die als Mittler zwischen ihnen und den
Händlern dienten. Auf diese Art bezogen die Händler
die Gewürze, die sie über die ganze Welt verteilten.
    Auch Muscheln führten die Händler mit sich.
Die Leute vom Fluß begehrten sie leidenschaftlich, weil sie
ihnen Freude machten und auch als Schmuck dienten. Gewiß
besitzt der Duft der Gewürze, der unsichtbar in uns dringt,
geheimnisvollen Reiz. Aber den Muscheln haftet ein nicht minder
verborgener Zauber an. Wenn man sie dem Ohre nähert, beginnen
die Geister, die in ihnen wohnen, vernehmlich zu summen, und die
Händler erklärten, daß sie auf diese Weise
das Geräusch des erzürnten Meeres nachahmten, dem man
sie entrissen hatte.
    Alles dies erzählten die Händler in einer
sonderbaren Sprache. Im Laufe ihrer vielen Wanderschaften hatten sie
die wichtigsten Worte aus der Sprache eines jeden Volkes, das sie
besuchten, erlernt. Sie verwendeten sie in ausdrucksvoller Art und
erweckten Bilder, die man nicht wieder vergaß.
    Erstaunlich war auch an ihnen, daß sie von
Männern begleitet waren, die sie ihre Diener nannten, die ihre
Säcke trugen, ihnen das Feuer anzündeten und ihre
Nahrung bereiteten. Wenn diese Diener nicht zur Zufriedenheit ihrer
Herren arbeiteten, dann gaben sie ihnen Schläge, die diese,
ohne sie zurückzugeben, hinnahmen. Unbegreiflich war dies den
Leuten vom Fluß, für welche die Jagd Arbeit und
Vergnügen war, die schönste aller männlichen
Beschäftigungen, weil sie Gefahr enthielt und der Arbeit damit
die Würze gab. Wozu brauchte man einen

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