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Ende eines Sommers

Ende eines Sommers

Titel: Ende eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Pilcher
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heiter die Köpfe wilder Osterglocken wippten.
    Das Haus, in dem meine Großmutter lebte, war das Pfarrhaus dieser kleinen Kirche gewesen. Im Lauf der Jahre jedoch war es aus seinen ursprünglich bescheidenen Ausmaßen herausgewachsen, es waren Flügel hinzugefügt und zusätzliche Räume geschaffen worden, vermutlich um große viktorianische Familien unterzubringen. Von hinten, von der Zufahrtsstraße her, sah Elvie groß und abweisend aus, die wenigen Fenster nach Norden waren klein, um in den bitteren Wintern die Wärme besser im Haus zu halten, und der verborgene Vordereingang erschien wenig eindrucksvoll und war normalerweise fest verschlossen. Es wirkte wie eine Festung, und dieser Eindruck wurde noch verstärkt von den zwei hohen Gartenmauern, die wie Arme vom Haus nach Osten und Westen reichten. Nicht einmal meiner Großmutter war es gelungen, eine Kletterpflanze dazu zu bringen, daß sie sich daran hochrankte.
    Von der Gartenseite her bot Elvie jedoch einen völlig anderen Anblick. Da döste das alte weiße Haus, geschützt und umfriedet und genau nach Süden blickend, behaglich im Sonnenlicht. Fenster und Türen standen offen, um frische Luft hineinzulassen. Der Garten fiel ab bis zu einem seichten Graben, der ihn von einem schmalen Feld trennte, auf dem ein benachbarter Bauer sein Vieh weidete. Das Feld senkte sich zum Ufer des Wassers, und das Plätschern der kleinen Wellen auf grobem Kies und das sanfte Muhen und Kauen der Kühe gehörten so sehr zu Elvie, daß man es nach einer Weile gar nicht mehr hörte. Erst wenn man fortgewesen war und zurückkehrte, wurde man sich dieser Geräusche wieder bewußt.
     
    Das Auto von David Stewart war eine Überraschung: Ein dunkelblauer T. R. 4, unerwartet schnittig für einen Mann von so solider Ausstrahlung. Wir packten unsere Koffer hinein und fuhren aus Thrumbo heraus. Vertraute Wegzeichen tauchten auf und flogen an uns vorbei. Die Garage, der Süßigkeitenladen und die Farm der McGregors, dann waren wir auf dem offenen Land. Die Straße zog sich durch goldene Stoppelfelder, die Heckenrosenbüsche waren scharlachrot gefleckt von Hagebutten, in den Bäumen schimmerten golden und rot die ersten Herbstfarben.
    Dann bogen wir um die letzte Kurve. Zu unserer Rechten erstreckte sich der See, grau an diesem grauen Morgen, und die Berge in der Ferne verloren sich in den Wolken. Und da, nicht einmal eine halbe Meile entfernt, stand Elvie. Das Haus lag in Bäumen versteckt, die Kirche erhob sich in romantischer Einsamkeit. Die Aufregung machte mich sprachlos, und David Stewart war offenbar rücksichtsvoll genug, ebenfalls zu schweigen. Wir hatten einen weiten Weg gemeinsam zurückgelegt, so weit, daß es kaum zu fassen war, aber wir sagten beide kein Wort, als wir schließlich an dem Cottage neben der Straße abbogen und das Auto durch die hohen Hecken fuhr, über den Damm zwischen den Marschen und unter den Blutbuchen wieder hoch, um vor der Vordertür anzuhalten.
    Ich sprang sofort aus dem Wagen und rannte über den Kies, aber meine Großmutter war schneller als ich. Die Tür ging auf, und sie erschien, wir umarmten uns fest, und sie hörte nicht auf, meinen Namen zu sagen. Sie roch nach den Duftsäckchen, die sie zwischen ihre Kleidung legte, und ich wußte, es hatte sich nichts verändert.

5
     
     
     
     
    B ei einem Wiedersehen nach so vielen Jahren herrscht wohl immer Verwirrung. Wir sagten Dinge wie: „Nun, du bist tatsächlich gekommen …“ und „Ich glaubte schon, ich würde es nie mehr schaffen …“ und „Hattest du eine gute Reise …“ und „Alles ist genauso wie früher.“ Und wir lösten uns voneinander, lachten über unsere Dummheiten und umarmten uns wieder.
    Als nächstes beteiligten sich die Hunde an dem Tumult, sie schossen aus dem Haus, wuselten uns bellend um die Beine herum und forderten Aufmerksamkeit. Es waren braunweiße Spaniels. Ich kannte sie nicht, aber dennoch waren sie mir vertraut, denn es hatte in Elvie immer braun-weiße Spaniels gegeben, und diese stammten ohne Zweifel von jenen ab, an die ich mich erinnerte. Und kaum hatte ich angefangen, die Hunde zu begrüßen, als Mrs. Lumley sich zu uns gesellte. Sie hatte das Getöse gehört und konnte der Versuchung nicht widerstehen, bei der Wiedersehensfeier dabeizusein. Dicker denn je in ihrer grünen Kittelschürze kam sie aus dem Haus, von einem Ohr zum anderen lächelnd, um sich einen Begrüßungskuß geben zu lassen, mir zu sagen, daß ich furchtbar groß geworden sei, mehr

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