Ende eines Sommers
der Brauen, begleitet von einem eisigen, durchdringenden Blick ihrer blauen Augen, unendliche Mißbilligung zum Ausdruck bringen konnte. Auch ihre Kleider waren alterslos und ausgesprochen vorteilhaft. Weiche Tweedröcke und Kaschmirpullover oder Strickjacken. Tagsüber trug sie immer ihre Perlen und ein Paar Korallenohrringe, die wie Tropfen geformt waren. Abends funkelten manchmal ein oder zwei bescheidene Diamanten an ihren dunklen Samtkleidern, denn sie war altmodisch genug, um sich jeden Abend zum Essen umzuziehen, selbst an Sonntagen, wenn wir nichts Aufregenderes aßen als Rühreier.
Als sie da behaglich am Kopfende ihres Tisches saß, dachte ich darüber nach, daß sie in ihrem Leben mehr als genug Tragödien hatte hinnehmen müssen. Ihr Mann war gestorben, dann hatte sie ihre Tochter verloren, und nun ihren Sohn Aylwyn, der sich entschlossen hatte, in Kanada zu leben. Sinclair und ich waren alles, was ihr geblieben war. Und Elvie. Aber ihr Rücken blieb ungebeugt und ihr Temperament ungebrochen, und ich war dankbar, daß sie nie eine jener trauernden alten Damen werden würde, die sich fortwährend an alte Zeiten erinnerten. Sie war zu interessiert, zu aktiv, zu intelligent. Unverwüstlich, sagte ich mir. Das ist sie. Unverwüstlich.
Nach dem Frühstück machten Sinclair und ich den obligatorischen Rundgang um die Insel, ohne etwas auszulassen. Wir traten durch das Tor, das zum Friedhof führte. Dort gingen wir um die alten Grabsteine, lugten durch die Fensteröffnungen der Kirchenruine, kletterten dann über die Mauer aufs Feld und gingen hinunter, an den Augen neugieriger Kühe vorbei, zum Ufer des Loch. Wir störten ein paar Wildenten auf, ließen um die Wette flache Steine übers Wasser tanzen und sahen zu, wessen Steine am weitesten kamen. Sinclair gewann. Als wir auf den Anlegesteg gingen, um nach dem lecken alten Boot zu sehen, das so verteufelt schwer zu rudern war, hallten unsere Tritte auf den durchhängenden Planken.
„Eines Tages“, sagte ich, „wird es zusammenbrechen.“
„Es hat keinen Sinn, es reparieren zu lassen, wenn es nie gebraucht wird.“
Wir gingen weiter am Seeufer entlang, unter den ausladenden Buchen, wo wir unsere Baumhäuser gebaut hatten, und dann hoch durch das Birkengehölz, um das still die Blätter fielen, und zurück zum Haus, vorbei an einer Reihe von Nebengebäuden, verlassenen Ställen und einer alten Remise, die schon lange als Garage genutzt wurde.
„Komm, schau dir meinen Wagen an“, sagte Sinclair.
Wir mühten uns mit Riegeln und der großen, altmodischen Tür ab, und schließlich schwang sie quietschend auf, um neben dem großen würdevollen Daimler meiner Großmutter den Blick auf einen dunkelgelben Lotus Elan freizugeben. Er lag sehr niedrig auf dem Boden, hatte ein schwarzes Verdeck und wirkte wie eine tödliche Waffe.
„Wie lange hast du den schon?“
„Oh, etwa sechs Monate.“ Er setzte sich hinters Steuer und fuhr ihn rückwärts hinaus, der Motor knurrte wie ein wütender Tiger, und Sinclair führte mir, wie ein kleiner Junge mit einem neuen Spielzeug, die verschiedenen Vorzüge des Autos vor: die elektrisch zu bedienenden Fenster, den raffinierten Mechanismus, der das Verdeck betätigte, den automatischen Diebstahlalarm, die Klappen über den Scheinwerfern, die sich öffneten und schlossen wie riesige Augenlider.
„Wie schnell fährt er?“ erkundigte ich mich nervös.
Er zuckte die Achseln. „Hundertzwanzig, hundertdreißig? Meilen natürlich.“
„Nicht wenn ich drin sitze, hörst du?“
„Warte, bis du eingeladen wirst, mein hasenherziges Mädchen.“
„Du kannst doch nicht mit sechzig die Straßen hier hochfahren, ohne ganz und gar von der Fahrbahn abzukommen.“
Er stieg aus dem Auto. „Willst du ihn nicht zurückstellen?“
„Nein.“ Er warf einen Blick auf seine Uhr. „Ich habe eine Verabredung zum Taubenschießen.“ Da wußte ich, daß ich zu Hause war. In Schottland gehen die Männer fortwährend irgend etwas schießen, ohne Rücksicht auf Pläne, die ihre Frauensleute möglicherweise für sie gemacht haben.
„Wann bist du zurück?“
„Vielleicht zum Tee.“ Er grinste zu mir herunter. „Ich sag dir was, nach dem Tee werde ich mit dir hinaufgehen, um die Gibsons zu besuchen. Sie können es gar nicht abwarten; ich habe versprochen, mit dir vorbeizukommen.“
„In Ordnung. Gehen wir zu ihnen.“
Wir kehrten zum Haus zurück, Sinclair, um sich umzuziehen und seine Schießutensilien zusammenzusuchen, und ich,
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