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Ende eines Sommers

Ende eines Sommers

Titel: Ende eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Pilcher
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mich in dem hohen Spiegel. Der Effekt war überraschend. Der Tweed zickzackte um mich wie ein Pop-Art Kunstwerk, meine Hüften wirkten elefantenartig, und das Taillenband grub sich in mein mageres Fleisch wie ein Drahtschneider.
    Isabel Moden McKenzie hustete diskret und zog den Vorhang zurück wie ein Zauberkünstler.
    „Oh, Sie sehen bezaubernd darin aus“, sagte sie. „Tweed steht Ihnen.“
    „Finden Sie nicht, daß er … nun, ein kleines bißchen lang ist?“
    „Die Röcke sind länger in dieser Saison, wissen Sie …“
    „Ja, aber dieser bedeckt fast meine Knie …“
    „Nun, wenn Sie wünschen, könnte ich ihn ein winziges Stückchen hochnehmen. Er sieht sehr gut aus. Es gibt nichts, was besser aussieht als ein hübscher Tweed.“
    Fast hätte ich ihn gekauft, nur um davonzukommen, aber ich warf einen weiteren Blick in den Spiegel und war fest entschlossen.
    „Nein. Nein, ich fürchte, es geht wirklich nicht. Es ist so gar nicht das, was ich wollte.“ Ich zog den Reißverschluß auf und zog ihn aus, bevor sie mich dazu überreden konnte, das schreckliche Ding zu kaufen. Traurig nahm sie ihn wieder in Empfang, ihre Augen diskret von meiner Unterwäsche abwendend.
    „Vielleicht möchten Sie ja einen Schottenrock anprobieren, diese alten Farben sind so vorteilhaft …“
    „Nein …“ Ich zog mein ausgewaschenes, amerikanisches, bügelfreies, nicht-warmes Hemd über, und es fühlte sich an wie ein alter Freund. „Nein, ich glaube, ich lasse es … Es war nur so eine Idee … Haben Sie vielen Dank.“
    Ich zog meinen Regenmantel an, nahm meine Tasche, und wir schlängelten uns gemeinsam zur Tür. Sie erreichte sie zuerst und öffnete sie für mich, widerstrebend, als ließe sie ein preisgekröntes Tier aus der Falle.
    „Vielleicht, wenn Sie ein andermal vorbeikommen …“
    „Ja, vielleicht …“
    „Ich werde nächste Woche meine nächste Lieferung bekommen.“
    Frisch von Dior, zweifellos. „Vielen Dank … es tut mir leid … guten Morgen.“
    Ich war entkommen. Wieder an der gesegneten frischen Luft, drehte ich mich um und ging fort, so schnell ich konnte. Ich kam beim Waffenschmied vorbei, machte dann auf eine plötzliche Eingebung hin kehrt, ging zurück, betrat den Laden und erstand in exakt zwei Minuten einen großen dunkelblauen Pullover, der ursprünglich für einen jungen Mann gedacht war. Unsäglich erleichtert, daß mein Vormittag nicht ein vollständiger Reinfall gewesen war, kehrte ich mit dem solide eingewickelten Päckchen in der Hand zu David zurück.
    Während er Papiere stapelte und Aktenschränke zuschloß, saß ich auf seinem Schreibtisch und erzählte ihm von meiner katastrophalen Einkaufsexpedition. Gewürzt von seinen Kommentaren (er konnte den Edinburgher Akzent perfekt nachmachen), wurde die Geschichte beim Erzählen immer abenteuerlicher, und am Ende lachte ich so sehr, daß mir die Rippen weh taten. Schließlich rafften wir uns auf. David stopfte einen Stoß Papiere in seine überquellende Aktentasche, sah sich noch einmal um und schloß dann die Tür zu seinem Büro. Wir gingen die schmutzfarbenen Treppen hinunter und traten auf die überfüllte, sonnenbeschienene Straße.
    Er wohnte nur etwa hundert Yards vom Zentrum der kleinen Stadt entfernt, wir gingen also diese kurze Entfernung zu Fuß. David schlenkerte die alte Aktentasche und stieß sie gegen seine langen Beine, hin und wieder wurden wir durch einen abgestellten Kinderwagen oder ein paar schwatzende Frauen getrennt. Schließlich kamen wir zu seinem Haus. Es stand in einer Reihe identischer kleiner, zweigeschossiger Steinhäuser, jedes auf seinem eigenen kleinen Grundstück. Vorn hatte es einen bescheidenen Vorgarten mit einem Kiesweg, der vom Gartentor zur Eingangstür führte. Davids Haus unterschied sich von denen seiner Nachbarn nur insofern, als er in den Zwischenraum zwischen seinem Haus und dem nächsten eine Garage angebaut hatte, mit einer Zufahrt zur Straße. Und er hatte seine Eingangstür in einem hellen, sonnigen Gelb gestrichen.
    Er öffnete das Tor, ich folgte ihm den Weg hinunter und wartete, bis er die Tür aufschloß. Er trat beiseite und ließ mich vor ihm eintreten. Ich stand in einer engen Diele, aus der eine Treppe nach oben führte, rechts und links waren Türen, durch die offene Tür hinten konnte ich die Küche sehen. Eigentlich war es nichts Besonderes, und doch wirkte es wohnlich und schön, mit den Teppichböden, den Tapeten mit Blättermuster und präzis in Gruppen angeordneten

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