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Ende eines Sommers

Ende eines Sommers

Titel: Ende eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Pilcher
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herunterzufallen.
    Bis Caple Bridge waren es fünf Meilen, und ich kannte die Straße ebensogut wie Elvie. Ich war sie entlanggelaufen, mit meinem Fahrrad dort gefahren, hatte die Wegzeichen vom Autofenster aus vorbeifliegen sehen. Ich kannte die Namen der Leute, die in den Cottages am Weg wohnten … Mrs. Dargie, Mrs. Thomson und Mrs. Willie McCrae. Und da war das Haus mit dem bösartigen Hund, und dort das Feld, wo eine Herde weißer Ziegen graste.
    Wir kamen zum Fluß, fuhren etwa eine halbe Meile neben ihm her, dann machte die Straße eine tiefe S-Kurve, und eine enge, bucklige Brücke führte über das Wasser. Soweit hatte sich in all den Jahren, in denen ich fortgewesen war, offenbar nichts verändert, aber als der Bus vorsichtig über die Brücke rollte, sah ich vor uns die Warnleuchten einer Baustelle. Offenbar waren Straßenbauarbeiten im Gange, um eine gefährliche Kurve zu beseitigen.
    Überall standen Schilder und Warnungen. Bulldozer hatten Hecken niedergewalzt und in ihrem Gefolge große Narben roher Erde hinterlassen. Mit Pickeln und Schaufeln arbeiteten die Bauarbeiter, riesige Erdbewegungsmaschinen brummten wie prähistorische Ungeheuer, und über allem hing der saubere, köstliche Geruch von heißem Teer.
    Die Ampel stand auf Rot. Der Bus wartete mit laufendem Motor, dann sprang die Ampel auf Grün, der Bus rollte auf der engen Spur zwischen den Warnlampen weiter und bog schließlich wieder auf die Straße ein. Die Frau neben mir begann unruhig zu werden und versuchte, an die Gepäckablage heranzukommen.
    „Brauchen Sie etwas?“ fragte ich sie.
    „Habe ich meinen Schirm da oben hingelegt?“
    Ich stand auf, suchte den Schirm und überreichte ihn ihr, außerdem eine große Schachtel mit Eiern und ein Bündel struppiger Astern, recht lieblos in Zeitungspapier eingewikkelt. Bis ich all das zusammengesammelt und abgeliefert hatte, waren wir am Ziel. Der Bus bog um das Rathaus, rollte auf den Marktplatz und hielt an der Endstation.
    Weil ich keine Körbe oder Pakete hatte, war ich eine der ersten, die ausstiegen. Meine Großmutter hatte mir gesagt, wo das Anwaltsbüro lag, und von der Stelle, wo ich stand, konnte ich das viereckige Steingebäude sehen, das sie mir beschrieben hatte, genau gegenüber auf der anderen Seite des kopfsteingepflasterten Marktplatzes.
    Ich wartete, um den Verkehr vorbeifahren zu lassen, ging dann hinüber und las auf dem Schild in der Eingangshalle, Mr. D. Stewart sei in Raum Nr. 3 zu finden und „anwesend“. Ich stieg das dunkle Treppenhaus hoch, das in wechselnden Schattierungen von Schlammbraun und Modergrün gestrichen war, ging unter einem farbigen Fenster hindurch, das keinen Lichtstrahl durchließ, und klopfte schließlich an die Tür.
    „Herein“, rief es von der anderen Seite.
    Ich trat ein und stellte mit Begeisterung fest, daß wenigstens sein Büro voll Licht war, hell und freundlich, und einen Teppich hatte. Das Fenster ging auf den geschäftigen Marktplatz hinaus, ein Krug mit Herbstastern stand auf dem marmornen Kaminsims, und irgendwie war es ihm gelungen, eine Atmosphäre heiterer Geschäftigkeit zu erzeugen. Er trug, vermutlich weil Samstag war, ein sportlich wirkendes kariertes Hemd und ein Tweedjackett, und als er aufsah und mich zur Begrüßung anlächelte, schien mir das Gewicht, das mir den ganzen Morgen über in der Magengrube gelegen hatte, plötzlich gar nicht mehr so schwer.
    Er stand auf. „Was für ein wunderschöner Morgen“, sagte ich geistreich.
    „Nicht wahr? Zu schön, um zu arbeiten.“
    „Arbeiten Sie samstags immer?“
    „Manchmal … hängt davon ab, wieviel zu tun ist. Man schafft eine Menge, wenn man nicht in einem fort angerufen wird.“ Er zog eine Schublade in seinem Schreibtisch auf. „Ich habe das Geld für Sie zum gegenwärtigen Umtauschkurs gewechselt. Irgendwo liegt die Umrechnungstabelle.“
    „Bemühen Sie sich deshalb nicht.“
    „Sie sollten sich darum kümmern, Jane. Ihr schottisches Blut muß Ihnen doch sagen, daß Sie höllisch aufpassen müssen, auch nicht um einen einzigen Penny übers Ohr gehauen zu werden.“
    „Na, und wenn schon, dann können Sie es als persönliche Provision betrachten.“ Ich hielt die Hand auf, und er überreichte mir ein Bündel Banknoten und ein paar Münzen. „Nun sind Sie wirklich in der Lage, sich unter die großen Verschwender zu begeben, obwohl es mein Begriffsvermögen übersteigt, was Sie in Caple Bridge finden wollen.“
    Ich stopfte das Geld in die Tasche meines

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