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Ende eines Sommers

Ende eines Sommers

Titel: Ende eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Pilcher
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draußen trinken?“ fragte er durch die offene Tür.
    „Ja, lassen Sie ihn uns am Fluß trinken.“ Ich ging hinein zu ihm, um meine klebrigen Hände unter dem Wasserhahn abzuspülen.
    „In einer Truhe in der Halle liegt eine Decke“, sagte er.
    „Nehmen Sie sie mit runter, und machen Sie es sich bequem, ich bringe den Kaffee.“
    „Was ist mit dem schmutzigen Geschirr?“
    „Lassen Sie es stehen. Der Tag ist zu schön, um ihn an einer heißen Spüle mit Sklavenarbeit zu verbringen.“
    Es war eine Bemerkung, die mein Vater hätte machen können, und sie tat mir sehr wohl. Ich fand die Decke und nahm sie mit nach draußen, ging den abschüssigen Rasen hinunter und breitete sie auf dem sonnenbeschienenen Gras aus, nur ein paar Yards vom Wasser entfernt. Nach dem langen trockenen Sommer war der Wasserstand des Caple sehr niedrig, ihr Kiesufer wirkte wie ein Miniaturstrand zwischen dem Gras und dem tiefbraunen Wasser.
    Der Apfelbaum war mit Früchten beladen, um den Stamm herum lag Fallobst. Ich ging und schüttelte den Baum, und ein paar weitere Äpfel plumpsten mit sanften Geräuschen ins Gras. Unter dem Baum war es schattig und kühl und roch angenehm moderig, wie auf alten Dachböden. Ich lehnte mich gegen den Stamm und betrachtete durch das Spitzenwerk der Zweige den sonnenbeschienenen Fluß. Es war sehr friedlich.
    Besänftigt vom guten Essen und angenehmer Gesellschaft, fühlte ich, wie meine Lebensgeister wieder erwachten. Ich beschloß, vernünftig mit meinen halbeingestandenen Ängsten umzugehen. Was half es, wenn ich sie in meinem Hinterkopf herumschwirren ließ, wo sie bohrten wie ein schlimmer Zahn und mir fortwährend Magenschmerzen verursachten?
    Ich mußte, was Sinclair betraf, realistisch sein. Es gab keinen Grund anzunehmen, daß er die Verantwortung für das Kind, das Tessa Faraday erwartete, nicht übernehmen würde. Wenn er am Montag nach Elvie zurückkehrte, würde er uns vermutlich mitteilen, daß er heiraten wolle, und Großmutter würde entzückt sein (fand sie das Mädchen nicht reizend?).
    Ich wäre ebenfalls entzückt und müßte nie ein Wort über den Telefonanruf sagen, den ich mitangehört hatte.
    Und was Gibson betraf, er wurde nun einmal alt, das ließ sich nicht leugnen, und vielleicht war es wirklich für alle Beteiligten besser, wenn er sich zur Ruhe setzte. Und wenn er gehen würde, könnten Großmutter und Sinclair sicherlich irgendein kleines Cottage finden, vielleicht mit einem Garten, wo er Gemüse anbauen und ein paar Hühner halten konnte, dann wäre er glücklich und beschäftigt.
    Und was mich selbst betraf … Das ließ sich nicht so einfach mit einem Schulterzucken abtun. Ich wünschte, ich hätte eine Ahnung, warum er gestern die Frage einer Heirat zwischen uns aufgebracht hatte. Vielleicht war es einfach eine amüsante Idee, um sich in der halben Stunde nach unserem Picknick die Zeit zu vertreiben. Ich war durchaus bereit, es so hinzunehmen. Sein Kuß jedoch war weder verwandtschaftlich gewesen noch leichtherzig … nur daran zu denken bereitete mir Unbehagen, und das war der Grund, weshalb ich so vollkommen verwirrt war. Vielleicht war das seine Absicht gewesen, vielleicht wollte er mich durcheinanderbringen. Er war immer ein Spötter gewesen. Vielleicht wollte er einfach meine Reaktion testen …“
    „Jane.“
    „Ja?“ Ich drehte mich um und sah, daß David Stewart hinter dem durchbrochenen Schatten des Baums im Sonnenlicht stand und mich beobachtete. Hinter ihm sah ich neben der Decke das Kaffeetablett stehen und mir wurde bewußt, daß er meinen Namen schon vorher gerufen haben mußte, ich ihn aber nicht gehört hatte. Er zog den Kopf ein, um unter einem niedrigen Zweig durchzukommen, stellte sich vor mich und stützte sich mit einer Hand gegen den Baum.
    „Stimmt irgend etwas nicht?“
    „Warum fragen Sie das?“
    „Sie sehen ein bißchen besorgt aus. Außerdem sind Sie sehr blaß.“
    „Ich bin immer blaß.“
    „Und immer besorgt?“
    „Ich habe nicht gesagt, daß ich besorgt bin.“
    „Ist … ist gestern irgend etwas passiert?“
    „Was meinen Sie?“
    „Sie waren ziemlich schweigsam, was den Ausflug angeht.“
    „Nichts ist passiert …“ Am liebsten wäre ich einfach weggegangen, aber sein Arm war über meiner Schulter, und ich konnte nicht fort, ohne mich umständlich zu bücken. Er wandte den Kopf, um mich aus dem Augenwinkel anzusehen, und unter diesem vertrauten, verwirrenden Blick spürte ich, wie mein Gesicht und mein Hals warm

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