Ende eines Sommers
zu.
„Erzählen Sie mir von gestern“, sagte er plötzlich.
„Gestern?“
„Sie sind über den Lairig Ghru gegangen –“ er sah mich von der Seite an – „oder nicht?“
„Doch, sind wir.“
„Wie war es?“
Ich versuchte daran zu denken, wie es gewesen war, und stellte fest, daß ich mich an nichts erinnern konnte, außer an die merkwürdige Diskussion, die ich nach dem Mittagessen mit Sinclair gehabt hatte.
„Es war … sehr schön. Wunderbar, wirklich.“
„Das klingt aber nicht sehr begeistert.“
„Nun es war … wunderbar.“ Mir fiel kein anderes Wort ein.
„Aber vielleicht sehr anstrengend.“
„Ja, ich war müde.“
„Wie lange haben Sie gebraucht?“
Wieder konnte ich mich kaum erinnern. „Nun, wir waren zurück, als es dunkel wurde. Gibson wartete auf uns am Loch Morlich …“
„Hmmm.“ Er schien darüber nachzudenken. „Und was macht Vetter Sinclair heute?“
Ich beugte mich hinunter, hob einen Stein auf und begann ihn hochzuwerfen und auf der Rückseite meiner Hand aufzufangen, als würde ich Münzen werfen. „Er ist nach London gefahren.“
„Nach London? Ich dachte, er hat frei.“
„Ja, hat er auch.“ Ich ließ den Stein fallen und hob einen anderen auf. „Aber er bekam gestern abend einen Telefonanruf. Wir wissen nicht, worum es ging. Als wir heute morgen zum Frühstück runterkamen, fanden wir eine Nachricht von ihm.“
„Ist er mit dem Auto gefahren?“
Ich erinnerte mich an das Tigerbrummen des Lotus in der Dunkelheit. „Ja, er hat das Auto genommen.“ Ich ließ den zweiten Stein fallen. „Er wird in ein, zwei Tagen zurück sein. Montag abend, vielleicht, meinte er.“ Ich wollte nicht über Sinclair reden. Ich fürchtete mich vor Davids Fragen und versuchte ungeschickt das Thema zu wechseln. „Fischen Sie wirklich unten in Ihrem Garten? Ich hätte gar nicht geglaubt, daß hier genug Platz ist, um eine Angel auszuwerfen. Die Leine verheddert sich bestimmt oft in Ihrem Apfelbaum …“
Und so ging das Gespräch aufs Angeln über, ich erzählte ihm vom Clearwater-Fluß in Idaho, wohin mein Vater mich einmal in den Ferien mitgenommen hatte.
„Er ist voller Lachse, man kann sie praktisch mit der bloßen Hand herausholen.“
„Sie mögen Amerika, nicht wahr?“
„Ja. Ja, es gefällt mir dort.“
Er schwieg. Träge im Sonnenschein, und ermutigt von seinem Schweigen fuhr ich fort: „Es ist merkwürdig, zwei Ländern anzugehören, es scheint so, als würde man in beide nicht richtig reinpassen. Als ich in Kalifornien war, wünschte ich mir immer, in Elvie zu sein. Aber jetzt, wo ich in Elvie bin …“
„… Möchten Sie am liebsten in Kalifornien sein.“
„Nein, eigentlich nicht. Aber manches vermisse ich doch.“
„Zum Beispiel?“
„Nun, bestimmte Dinge. Meinen Vater natürlich. Und Rusty. Und das Geräusch des Pazifik, spät abends, wenn die Wellen über den Strand rollen.“
„Und was ist mit den nicht so bestimmten Dingen?“
„Das ist komplizierter.“ Ich versuchte zu entscheiden, was mir wirklich fehlte. „Eiswasser. Und die Bell Telephone Company. Und San Francisco. Und eine Zentralheizung. Und die Gartencenter, wo man Pflanzen und so weiter kaufen kann und alles nach Orangenblüten duftet.“ Ich wandte mich David zu und stellte fest, daß er mich beobachtete. Unsere Augen trafen sich, er lächelte. „Aber das Leben hier hat auch Vorteile“, beeilte ich mich zu versichern.
„Erzählen Sie mir davon.“
„Postämter. Man kann in einem Landpostamt einfach alles kaufen – sogar Briefmarken. Und das Wetter ist nie zwei Tage hintereinander gleich. Es ist so viel aufregender. Und der Fünfuhrtee, mit Scones und Keksen und durchgeweichten Honigkuchen …“
„Wollen Sie mich in Ihrer subtilen Weise daran erinnern, daß es Zeit ist, diese Steaks zu essen?“
„Nicht absichtlich.“
„Nun, wenn wir sie jetzt nicht essen, werden sie kaum noch genießbar sein. Kommen Sie.“
Das Essen war wunderbar. Er öffnete sogar eine Flasche Wein, trocken und rot, die perfekte Ergänzung zu Steaks und Baguette. Zum Abschluß gab es Käse und Cracker und eine Schale frischer Früchte, gekrönt von hellen Weintrauben. Ich stellte fest, daß ich völlig ausgehungert gewesen sein mußte, ich aß enorm viel, wischte meinen Teller mit einer dicken weißen Kruste sauber und schälte danach eine Orange, daß mir der Saft von den Fingerspitzen tropfte. Als er aufgegessen hatte, ging David hinein, um Kaffee zu machen.
„Sollen wir ihn
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