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Ende eines Sommers

Ende eines Sommers

Titel: Ende eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Pilcher
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verschlossen. Aber das Strandhaus hatte keine Vorhänge, jeder konnte hereinsehen – und dann würde er mich entdecken, und ich würde nichts sehen können. Wahnsinnig vor Angst schoß ich durch den Raum, um alle Lichter auszuknipsen, doch das Feuer brannte immer noch hell und erfüllte das Wohnzimmer mit flackerndem Licht … es spielte an den Wänden, an den Möbeln und gab den alten Sesseln ein finsteres, lauerndes Aussehen.
    Die näherkommenden Scheinwerfer drangen draußen durch die Dunkelheit. Jetzt konnte ich sehen, wie das Auto näher kam, langsam holperte es über die eingetrocknete Fahrspur. Es fuhr am letzten leeren Strandhaus neben unserem vorbei, rollte im Leerlauf langsam vor, und blieb quer vor unserer Eingangsveranda stehen. Es war nicht mein Vater.
    Flüsternd rief ich Rusty an meine Seite und beruhigte mich damit, sein Flohhalsband festzuhalten und die Wärme seines pelzigen braunen Fells zu spüren. Ein Knurren kam tief aus seiner Kehle, aber er bellte nicht. Gemeinsam hörten wir, wie der Motor des Autos abgestellt wurde, wie dann die Autotür geöffnet und wieder zugeschlagen wurde. Einen Augenblick lang Stille. Dann kamen leise Schritte über den sandigen Boden zwischen der Hintertür und der Straße, und im nächsten Moment klopfte es an der Tür.
    Mir entfuhr ein Schreckenslaut, und das genügte Rusty. Er riß sich von mir los, rannte auf die Tür zu, knurrte und bellte sich die Kehle aus dem Leib.
    „Rusty!“ Ich lief ihm nach, aber er bellte immer weiter. „Rusty, nicht … Rusty!“
    Ich erwischte ihn am Halsband, zog ihn von der Tür zurück und schüttelte ihn, was ihn schließlich zum Schweigen brachte. Dann schluckte ich, holte tief Luft und sagte mit so fester und klarer Stimme, wie ich nur konnte: „Wer ist da?“
    Eine Männerstimme antwortete. „Es tut mir leid, Sie zu stören. Aber ich suche nach dem Haus von Mr. Marsh.“
    Ein Freund von Dad? Oder nur ein Trick, um hier einzudringen? Ich zögerte.
    Er sprach wieder.
    „Ist das das Haus, in dem Rufus Marsh wohnt?“
    „Ja.“
    „Ist er zu Hause?“
    Ein weiterer Trick?
    „Warum?“ fragte ich.
    „Nun, mir wurde gesagt, ich könnte ihn hier finden.“ Ich versuchte immer noch zu entscheiden, was ich tun sollte, als er in fast sanftem Ton hinzufügte: „Sind Sie Jane?“
    Es gibt nichts Entwaffnenderes, als wenn ein Fremder den eigenen Namen nennt. Außerdem, da war etwas in seiner Stimme … obwohl sie durch die festgeschlossene Tür so verschwommen klang … etwas …
    „Ja“, entgegnete ich.
    „Ist Ihr Vater da?“
    „Nein, er ist in Los Angeles. Wer sind Sie?“
    „Mein Name ist David Stewart … Ich … sehen Sie, es ist recht schwierig, sich durch die Tür zu unterhalten …“
    Seufzend schob ich den Riegel zurück und öffnete ihm die Tür. Ich beging diese Verrücktheit, weil er seinen eigenen Namen auf so besondere Weise ausgesprochen hatte. Stewart. Die Amerikaner finden es allesamt schwer auszusprechen …’Stoowart’ sagen sie. Aber aus seinem Mund klang ’Stewart’ ebenso wie bei meiner Großmutter, also war er kein Amerikaner, er kam von zu Hause. Und mit einem solchen Namen stammte er möglicherweise aus Schottland.
    Wahrscheinlich hatte ich gedacht, ich würde ihn sofort erkennen, tatsächlich hatte ich ihn aber nie zuvor gesehen. Er trug eine Hornbrille, und er war groß … größer als ich. Wir starrten einander an, er überrascht von meinem plötzlichen Sinneswandel und ich schlagartig von einer großen Welle kalter Wut überrollt. Nichts macht mich so wütend, als wenn man mir Angst einjagt, und ich war halb wahnsinnig gewesen vor Furcht.
    „Wie kommen Sie dazu, sich mitten in der Nacht hier heranzuschleichen?“ Selbst in meinen Ohren klang meine Stimme schrill und ziemlich unbeherrscht.
    Er antwortete ganz vernünftig: „Es ist erst neun Uhr, und ich wollte mich durchaus nicht anschleichen.“
    „Sie hätten anrufen und mir Bescheid sagen können, daß Sie kommen.“
    „Ich konnte im Telefonbuch die Nummer nicht finden.“
    Er hatte keine Bewegung gemacht, um einzutreten. Rusty hielt sich im Hintergrund, blickte aber immer noch finster drein. „Und ich hatte keine Ahnung, daß Sie allein sind, sonst hätte ich gewartet.“
    Meine Wut legte sich, ich schämte mich ein bißchen für meinen Ausbruch. „Nun … da Sie schon einmal hier sind, kommen Sie wohl besser herein.“ Ich trat zurück und griff nach dem Schalter. Kaltes, elektrisches Licht flackerte auf.
    Aber er zögerte noch.

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