Ende (German Edition)
kann, dann ist das etwas anderes. Dann wird diese Arbeit geschätzt, man genießt Privilegien. Wer Künstler ist, hebt sich ab von allen anderen.»
«Vielleicht wäre Cova auch gern eine Künstlerin.»
«Cova?», fragt Hugo verwundert. «Garantiert nicht. Worauf willst du eigentlich hinaus? Du fragst mich hier aus, und von dir selber gibst du gar nichts preis. Was machst du denn so beruflich? Offensichtlich läuft’s nicht schlecht bei dir.»
«Wie kommst du darauf?»
«Na ja, einen Cayenne kann man sich mit einem Durchschnittsgehalt wohl kaum leisten.»
«Ach so, das Auto.»
«Rafa hat für dich Werbung gemacht. Und das mit dem Wildschweinschädel hat er mir bestimmt fünfzigmal erzählt.»
«Dass der Wagen geliehen sein könnte, habt ihr euch nicht überlegt?»
«Quatsch! Ich kenne mich da aus. Keine Firma verleiht dieses Modell.»
«Es gibt nichts, was man nicht leihen kann.»
«Wenn man Geld hat. Jetzt mal im Ernst. Was machst du beruflich?»
«Ich? Nichts. Geschäfte.»
«Was soll denn diese Geheimniskrämerei!», ruft Hugo mehr ungläubig, als verärgert. «Einem alten Freund kannst du doch sagen …»
«Immobilien.»
«Na also, da haben wir doch schon die Erklärung. Mehr musst du gar nicht sagen.»
Beide schweigen eine Weile. Hugo denkt nach, Ginés lehnt an der Mauer und blickt ins Dunkel, als könnte er etwas erkennen. Plötzlich wirft er die Zigarette weg. Der kurze Stummel fliegt weit, landet auf dem Pflaster und erlischt sofort.
«Sieht nach Regen aus», sagt Ginés. «Wäre die Luft etwas kälter, würde ich sagen, es geht bald los.»
Hugo taucht aus seiner Versunkenheit auf und hebt den Blick, atmet tief die saubere Waldluft ein. Seit sie draußen sind, hat es leicht abgekühlt, und der Wind weht etwas stärker.
«Scheiße, das mit dem Wetter! Vor allem für Nieves. Nach all der Mühe, die sie sich gemacht hat.»
«Die Nacht ist lang. Vielleicht reißt es ja noch auf.»
«Wahrscheinlich, wenn wir alle im Bett liegen. Meinst du, wir halten so lange durch wie früher? Wenn man jung ist, hält einen die Aussicht auf schöne Titten wach.»
«Haben die Mädchen dich damals rangelassen?»
«Nein, aber es hing irgendwie in der Luft. Und Rafa hat es ja geschafft.»
«Schon, aber erst, als wir auseinander waren. Innerhalb der Clique war es schwierig, um nicht zu sagen: unmöglich.»
«Das kannst du laut sagen! Und dann war da ja auch noch der Prophet, der ein strenges Auge darauf hatte, dass es nicht zu unsittlichen Berührungen kam.»
«Jetzt mach mal halblang. Das hat er nie gesagt.»
«Ach, nein? Ist er etwa nicht wie ein Heiliger aufgetreten und hat gepredigt, was gut und was böse ist? Ein Witz war das!»
«Schon möglich. Aber es war mehr eine Pose, weil er sich nicht getraut hat, so zu sein, wie er ist. Wenn es ein Problem gab, hat er diese Maske aufgesetzt. Das war seine Art, sich seinen Platz in der Gruppe zu erkämpfen.»
«Aus dir ist ja ein richtiger Psychologe geworden», spottet Hugo, nimmt noch eine Zigarette und zündet sie sich mit raschen, automatischen Bewegungen an. «Dabei ist alles so kompliziert, dass du selber nicht weißt, was du denken sollst.»
«Stimmt, ich habe immer noch viele Fragen.»
«Jetzt hör schon auf, Mensch! Du bist ein ganz normaler Typ, hast es zu was gebracht im Leben. Ja, ich weiß, das ist eine Phrase, aber es stimmt doch! Es läuft gut bei dir, du verdienst einen Haufen Kohle, hast eine hübsche Freundin. Du hast es doch gar nicht nötig, so einen Spinner zu verteidigen.»
«Ich wollte die Sache nur aus einem anderen Blickwinkel betrachten.»
Bevor Hugo antwortet, zieht er nervös an seiner Zigarette.
«Hör zu, der Kerl hatte seine Chance», sagt er schließlich und bläst den Rauch durch Nase und Mund. «Jahrelang haben wir ihn in der Clique geduldet, obwohl er nicht ganz dicht war. Aber er hat seine Chance nicht genutzt und ist bis zum Schluss ein komischer Kauz geblieben.»
«Der üble Streich, den wir ihm damals gespielt haben, hat auch nicht gerade …»
«Der üble Streich? Aber den hat er doch geradezu provoziert. Du weißt doch, dass er Maribel angegrapscht hat. Oder es zumindest versucht. In der Karre von Ibáñez, auf dem Rückweg von hier.»
«Nein, das wusste ich nicht.»
«Dann weißt du es eben jetzt. Er hat damals Glück gehabt, dass Maribel ihn nicht vor allen bloßstellen wollte.»
Ginés schweigt einen Moment. Hugo beobachtet ihn aufmerksam und sagt schließlich: «Wir waren damals alle dafür. Oder hast du
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