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Ende (German Edition)

Ende (German Edition)

Titel: Ende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Monteagudo
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das vergessen? Wenn er es sportlich genommen hätte, wäre vielleicht ein normaler Kerl aus ihm geworden. Denn genau das hat er damals gebraucht: endlich mal richtig zu ficken.»
    «Wie kannst du so was sagen? Du bist doch ein Künstler, ein sensibler Mensch. Glaubst du wirklich, das erste Mal sollte so ablaufen. Unter Zwang?»
    «Jetzt quatschst du schon so daher wie er. Ja, ich glaube, dass es okay war. Und teuer genug war der Spaß ja auch. Außerdem hattest du damals nichts dagegen.»
    «Egal, lassen wir’s gut sein. Da hat eben jeder seine eigene Meinung.»
    Ginés löst sich von der Mauer und geht in Richtung Tür. «Glaubst du eigentlich, dass er kommt?»
    «Wer? Der Prophet?», fragt Hugo und bleibt abrupt stehen. «So spät noch? Nein, der kommt bestimmt nicht mehr. Ich hab immer gesagt, dass er nicht kommen wird.»
    «Na ja, mich wundert nur, dass Nieves sich solche Sorgen macht. Ist dir das nicht aufgefallen?»
    «Doch, aber, du weißt ja …»
    «‹Du weißt ja, wie Nieves ist›, wolltest du das sagen?», unterbricht ihn Ginés, der seinen Ärger jetzt kaum mehr verhehlen kann. «Es wundert mich trotzdem, wie besorgt sie ist. Oder um es genauer zu sagen: dass sie Angst hat, ihm könnte was passiert sein.»
    «Andrés?»
    «Ja, Andrés! Dass er auf dem Weg hierher einen Unfall gehabt haben könnte oder eine Panne, oder sonst was. Sie ist sich hundertprozentig sicher, dass er kommen wollte.»
    Hugo zieht noch einmal an seiner Zigarette und wirft die Kippe weg: «Ich geh rein, Alter. Ich brauch was zu trinken. Whisky ist auf jeden Fall genug da, darum habe ich mich persönlich gekümmert. Du könntest auch einen vertragen.»
    «Warte, ich komme mit.»
    Ginés folgt Hugo zur Tür.

[zur Inhaltsübersicht]
    Amparo – Cova – María – Hugo – Ibáñez – Maribel – Nieves – Ginés – Rafa
    D as Essen ist verspeist. Nur kümmerliche Reste liegen noch da: fettige Wurst und geschmackloser Käse, die nicht einmal später gegessen werden, in jenen Momenten, in denen man, schon längst satt, zerstreut und ohne es eigentlich zu wollen, nochmals zugreift. Heimlich, still und leise haben die Flaschen das Kommando übernommen, ragen glänzend und stolz aus dem Schlachtfeld aus Tellern und zerknüllten Servietten auf. Große Flaschen, Softdrinks in verschiedenen Farben: schwarz-rot die Coca-Cola, orange die Orangenlimonade, gelb der Zitronensprudel, dessen Plastik durch den Druck der Kohlensäure noch hart ist. Dann sind da noch die weniger bunten und bereits transparenten Weinflaschen und die schmaleren, verschiedenförmigen Behältnisse mit Hochprozentigem.
    Rauch hängt keiner in der Luft, wohl aber Musik und Stimmengewirr. Männer wie Frauen haben sich vom Tisch wegbewegt, als wäre ihnen die Fressorgie peinlich, nähern sich ihm nur noch, um sich nachzuschenken oder eine Serviette abzulegen.
    Die Stereoanlage schafft es nicht, den großen, hohen Raum zu beschallen, sodass man sich auf eine mittlere Lautstärke geeinigt hat, damit die Musik nicht allzu verzerrt klingt. Ab und zu dringt der langgezogene Ton eines Tenors von der CD Il Divo durch, Rafas stolzer Beitrag zur musikalischen Umrahmung.
    Die Unterhaltung wirkt angeregt. Grüppchen bilden sich und lösen sich wieder auf, wobei diejenigen unter ihnen, die die Bewegung lieben, schneller wechseln, während die Ruhigeren eher bei der gleichen Gruppe stehenbleiben.
    «Amparo meint ja», sagt Maribel mit einem randvollen Glas Orangenlimo in der Hand, «sie habe in einem der Häuser Leute gesehen, außerdem sei ein Auto in der überdachten Einfahrt gestanden.»
    Die sorgfältig geschminkte Maribel mit ihrer künstlichen Lockenpracht verteidigt die Behauptung mit übertriebenem Nachdruck, als Hugo und Ibáñez sich skeptisch zeigen.
    «Du bist die Einzige, die in dieser Scheißsiedlung überhaupt irgendjemanden gesehen hat», sagt Ibáñez. «Und ich saß im selben Auto.»
    «Ich hab auch niemanden gesehen», mischt sich Hugo ein. «Dabei war es so dunkel, dass jedes Licht aufgefallen wäre. Außerdem habe ich speziell darauf geachtet, weil meiner Erinnerung nach das eine oder andere Häuschen am Wegrand steht.»
    «Ich glaube, du meinst den Weg oben», wendet Ibáñez ein, «da, wo wir immer langgegangen sind, wenn wir in die Berge wollten. Dort standen Häuser, das stimmt. Aber nicht an der Straße.»
    «Besserwisser», blafft Hugo. «In der Siedlung wohnt keiner mehr, und damit basta.»
    Hugo ist mürrisch, verstockt. Beim Sprechen hat er sein

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