Ende (German Edition)
auch gern, so einen Schlitten! Und die ganzen Klunker!»
«Schatz», probiert es Maribel noch einmal behutsam, tippt ihrem Mann auf die Schulter.
«Halt den Mund», zischt Rafa so schnell, wie eine Schlange zubeißt.
Maribel weicht zurück, murmelt ein langgezogenes «Ist ja gut», das die Bedeutung des Vorfalls herunterspielen soll, aber auch deutlich macht, dass es ihr letzter gütlicher Versuch war. Hugo lehnt am Tisch und verfolgt die Szene genüsslich, ohne sein Glas abzustellen, ohne ein Wort zu äußern.
«Das kennst du doch alles nur vom Hörensagen», fährt Nieves fort. «Das mit den Autos und dem Schmuck: Das sind nichts als Vorurteile. Die meisten Immigranten führen ein erbärmliches Leben und rackern sich ab, damit sie ihren Familien ein bisschen Geld schicken können.»
«Fakt ist aber, dass sie uns hier die Arbeitsplätze wegnehmen.»
«Ich hätte nicht gedacht, dass ich das jemals aus deinem Mund hören würde», sagt Nieves und sieht ihm in die Augen. «Wirklich nicht. Das kann nur einer sagen, der keine Ahnung hat. Oder böswillig ist. Wie kannst du nur? Du weißt doch ganz genau, dass die Immigranten für uns die Drecksarbeit erledigen, das, was wir selber nicht mehr machen wollen.»
«Wann, bitte schön, arbeiten diese Araber denn? Die hängen doch den ganzen Tag nur rum, auf der Straße, auf Plätzen, in Cafés, und immer in Gruppen. Stimmt’s oder hab ich recht? Man sieht nie einen allein. Feiglinge sind das, immer hintenrum, nie direkt.»
Die Gruppe um Ginés hat die Diskussion schweigend verfolgt, reglos, mit echter, nicht nur vorgetäuschter Aufmerksamkeit. Nieves wendet sich hilfesuchend an sie: «Kann jemand diesem Mann verklickern, dass er ein Klischee nach dem anderen verbreitet?»
«Von wegen Klischee», erwidert Rafa. «In welchem anderen zivilisierten Land wird für hundert Leute eine Moschee gebaut?»
«Worauf willst du hinaus?», fragt Nieves. «Auf Villallana? Die muslimische Gemeinde dort ist viel größer. Was soll das mit den hundert Leuten?»
«Du darfst eins nicht vergessen», kontert Rafa. «Bei den Muslimen dürfen die Frauen nicht beten.»
«Was weißt du denn schon! Natürlich dürfen sie beten, nur woanders, an besonderen Orten, die …»
«Stopp! Vertragt euch wieder!», mischt sich Ibáñez ein, der sich in der Zwischenzeit hinzugesellt hat. «Kurze Bemerkung zu dir, Rafa: Die USA, eines der konservativsten Länder der Erde, garantiert Religionsfreiheit. Und ist stolz darauf. Es wimmelt dort nur so von Moscheen, Synagogen, orthodoxen, katholischen, protestantischen Kirchen, buddhistischen Tempeln. Nicht allein vom Muslim lebt der Hass, ich meine: der Mensch.»
«Mag sein», erwidert Rafa. «Aber dort bauen sie ihre Gotteshäuser mit ihrem eigenen Geld. Da zahlt nicht der Staat.»
«Na, klar. Die USA sind ja nicht nur das Land der Freiheit, sondern auch des Sieh-selbst-zu-wo-du-bleibst.»
«Das mit der Moschee in Villallana kommt mir merkwürdig vor», wendet Ginés ein und macht ein Gesicht, als hätte er etwas nicht begriffen. «Ging die Initiative dafür wirklich von der Gemeinde aus?»
«Ja, vom Rathaus», bestätigt Rafa. «Es soll ein Bürgerzentrum gebaut werden, und in diesem Bürgerzentrum wird es auch eine Moschee geben: auf Kosten des Steuerzahlers.»
«Aber das stimmt doch gar nicht», wendet Cova vorsichtig ein. «Die kriegen lediglich einen Raum, so wie alle anderen auch.»
«Von wegen wie alle anderen», schimpft Rafa. Er kocht vor Wut. «Die kriegen Räume, das hast du noch nicht gesehen!»
«Ich finde, das steht ihnen auch zu», hält Cova selbstbewusst dagegen. «Bisher wurde die muslimische Gemeinde nämlich ständig schikaniert. Aus dem Raum, den sie selber angemietet hatten, wurden sie von den Nachbarn rausgeekelt.»
«Was soll ich da sagen? Ich bin hier aufgewachsen, aber als ich mich selbständig machen wollte und Räumlichkeiten brauchte – eine Halle oder eine Garage –, weißt du, was mir die feinen Herren vom Rathaus da gesagt haben? Sie könnten mir nicht helfen, ich sei weder jung noch eine Frau, noch ein Muslim, noch schwul. Die tausendfünfhundert Euro für einen halbwegs akzeptablen Laden müsse ich schon selber berappen.»
«Das mit dem Schwulsein ließe sich schnell bewerkstelligen», spottet Ibáñez. «Hier ein bisschen Schminke, da ein bisschen Getue …»
«Verarschen kann ich mich selbst, du Blödmann!»
«Ist ja gut, ich wollte nur ein bisschen Dampf rausnehmen. Oder wäre es euch lieber gewesen, ich
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