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Ende (German Edition)

Ende (German Edition)

Titel: Ende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Monteagudo
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hätten wir mal tun sollen», ätzt Hugo.
    «Das denkst du nicht wirklich, oder?», fragt Nieves.
    «Irgendwie haben wir genau das getan», findet Ginés.
    «Nein, das stimmt nicht!», wehrt sich Nieves. «Wir haben was Schlimmes getan, gut, aber nichts, was nicht wiedergutzumachen wäre. Andrés geht’s gut, das hat er mir selbst gesagt. Deshalb wollte er ja kommen, damit ihr seht, dass … Ich weiß auch nicht, warum er noch nicht hier ist. Irgendwas muss passiert sein.»
    «Du bist noch genauso naiv wie früher», greift Ibáñez sie an. «Kann schon sein, dass er kommen wollte, aber dann hat er sich’s anders überlegt. Die Wunde ist offenbar nicht so gut vernarbt, wie du denkst.»
    Rafa scheint der Einzige zu sein, den das Gespräch nicht interessiert. Ernst und mit geröteten Augen starrt er auf den Boden, während sich seine Atmung allmählich beruhigt. Maribel ist ihm nicht von der Seite gewichen, was sie aber nicht davon abhält, den anderen zuzuhören.
    «Ich dachte, du hast gar nicht mit ihm gesprochen», sagt Cova zögerlich und zieht alle Blicke auf sich, «sondern nur per Mail mit ihm kommuniziert.»
    «War auch so», antwortet Nieves, «aber Kommunikation ist Kommunikation.»
    «Merkwürdig ist es schon», meldet sich María zu Wort, «dass er nicht mal zurückgerufen hat.»
    «Andrés ist eben ein bisschen schüchtern», erklärt Nieves.
    «Ein bisschen ist gut», sagt Maribel. «Manchmal hat er den Mund nicht aufgekriegt.»
    «Es sei denn, er war nervös», ergänzt Nieves, der dieses Thema unangenehm scheint. «Und besonders schüchtern war er gegenüber uns Mädchen. Wie dem auch sei: Wenn er lieber per Mail kommuniziert, soll er doch.»
    «Wollen wir wirklich hier übernachten?», wechselt Hugo das Thema. «Es ist ja jetzt schon dicke Luft, wo soll das noch hinführen?»
    «Wir können auch nach Hause fahren», schlägt Amparo vor.
    «Nein. Alles, nur nicht das!», ruft Nieves plötzlich energisch. «Lasst uns noch abwarten, sagen wir, bis drei. Wenn der Himmel bis dahin nicht aufreißt, sehen wir weiter. Und dreht die Musik ein bisschen auf. Es gibt nichts Deprimierenderes als leises Gedudel im Hintergrund.»
    Ibáñez setzt sich als Erster in Bewegung. Er geht zur Stereoanlage, lässt auf der Suche nach dem Lautstärkeregler den Zeigefinger kreisen. Als er ihn findet, streckt er seine Hand aus, um ihn aufzudrehen.
    Doch es kommt nicht dazu. Das Gerät verstummt wie von Geisterhand. Gleichzeitig flammt draußen ein weißliches Licht auf. Dann wird es dunkel im Raum. Nicht vollständig dunkel, wie sich herausstellt, als die Augen sich an die neue Situation gewöhnt haben. Ein blasser Schimmer fällt durch die beiden kleinen Fenster, so schwach, als wäre die einzige Lichtquelle der abnehmende Mond am nächtlichen Himmel.
    «Jetzt ist auch noch der Strom weg! Das hat uns gerade noch gefehlt!»
    «Bist du irgendwo drangekommen? Die Hauptsicherung scheint rausgeflogen zu sein.»
    «Ich bin nirgends drangekommen. Der Strom ist ganz von allein ausgefallen.»
    «Vielleicht ein Blitz.»
    «Ja, ich hab einen gesehen.»
    «Ich nicht.»
    «Weiß jemand, wo der Sicherungskasten ist?»
    «Wow! Unglaublich!»
    «Was ist?»
    «Kommt mal her! Das müsst ihr euch ansehen!»
    «Was denn? He, nicht drängeln!»
    «Der Himmel! Die Sterne!»
    Alle gehen hinaus auf den Vorplatz. Der Aufenthaltsraum ist jetzt leer, nichts regt sich dort. Durch die kleinen Fenster und die offenstehende Tür fällt weiterhin ein blasser Schimmer. Draußen ertönen Ausrufe kindlicher Bewunderung, überschlagen sich die Stimmen, scheint die Begeisterung keine Grenzen zu kennen.

D er Himmel ist übersät, ja überschwemmt von Sternen. Lichtstaub aus Millionen winziger Teilchen, die sich an manchen Stellen dicht drängen. Am überwältigendsten ist die unerschütterliche Ruhe des Schauspiels. Die Sterne funkeln nicht, flackern nicht, sie strahlen ruhig und kalt. Trotz der Fülle hebt sich jeder einzelne Stern deutlich ab vom tintenschwarzen, ebenmäßigen Hintergrund, der sich unergründlich vom Zenit bis zur gezackten Silhouette der Berge erstreckt. Keine Wolke ist zu sehen, trockene Luft züngelt lau über die Erde, streichelt die Haut.
    «Unglaublich!»
    «Hast du so was schon mal gesehen?»
    «Nein, das ist überwältigend. Nicht mal damals war es so, so …»
    «Da kann man fast Angst kriegen.»
    «Wunderschön!»
    Das Schauspiel lässt nicht nach, erlischt nicht wie ein Sonnenuntergang. Es ist einfach da, in all seiner Pracht,

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