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Ende (German Edition)

Ende (German Edition)

Titel: Ende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Monteagudo
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Manuel Ibáñez. Aber den Vornamen vergisst du sowieso gleich wieder. Mein Nachname hat zu viel Charakter und schluckt ihn praktisch.»
    «Genau das stört mich immer so an den Treffen von alten Freunden: dass alle Codes und Spitznamen verwenden, als wäre es normal, als müssten alle sie kennen. Wie bei dem Freund, der nicht gekommen ist: Ich habe immer noch nicht aus Hugo rausgekriegt, wie er eigentlich heißt.»
    «Andrés, oder?», sagt María und verstummt, weil die Wirkung des Namens sie überrascht. «Ginés nannte ihn so, wenn er von ihm sprach.» Fast wirkt es wie eine Entschuldigung. «Außerdem hatte er einen Spitznamen, stimmt doch, Ginés? Der ‹Apostel› oder so ähnlich.»
    Ginés antwortet nicht. Cova ergreift das Wort: «Der Prophet. Hugo nennt ihn immer ‹Der Prophet›. Merkwürdig! Ihr wart so enge Freunde, aber in diesem Fall … Was sagst du dazu, Ginés? Was hältst du von diesem Andrés? Hugo lästert immer über ihn.»
    «Das ist eine komplizierte Geschichte.»
    Ginés zögert, spürt, wie Ibáñez und Amparo ihn gespannt anschauen.
    «Eine Geschichte, die noch das eine oder andere Gläschen braucht. Ich werde sie euch erzählen, wenn wir nachher Sterne gucken.»
    «Du bist doch ein schlaues Kerlchen: Solange der Himmel bedeckt ist, wird das nie was», kommentiert María.
    «Nieves sagt, er kommt noch», meldet sich Amparo nachdenklich zu Wort. «Sie glaubt es fest.»
    «Wer? Dieser Prophet?», fragt María.
    «Ja, das hat sie mir gerade gesagt. Sie macht sich Sorgen. Sie meint, er hätte sie angerufen, wenn er es sich anders überlegt hätte, und sie fürchtet, dass ihm auf dem Weg hierher was passiert ist.»
    «Vielleicht hat er erst spät angerufen, als ihr schon hier wart. Wir haben ja keinen Empfang», meint Cova.
    «Dann red du mal mit ihr», sagt Amparo. «Vielleicht kannst du sie ja beruhigen. Ich weiß auch nicht, warum sie sich solche Sorgen macht.»
    «Wegen des Wetters. Wegen der Wolken», erklärt Ginés. «Wegen allem. Das Treffen verläuft nicht so, wie sie sich das vorgestellt hat.»
    «Stimmt», bestätigt Amparo. «Es ist nach wie vor bewölkt. Ich war gerade draußen. Sieht nicht so aus, als würde es bald aufklaren.»
    «Apropos Nieves», sagt Ibáñez und sieht zum anderen Tischende. «Ich glaube, sie regt sich gerade über Rafa auf. Sie reden schon eine ganze Weile miteinander, aber das sieht mir jetzt eher nach einem Streit aus.»
    Alle schauen in die Richtung, in die Ibáñez zeigt. Energisch schließt Nieves die Flasche, aus der sie sich gerade eingeschenkt hat, ohne das Gespräch mit Rafa zu unterbrechen. Rafa wiederum hört ihr mit missmutigem Gesicht zu. Maribel und Hugo, die sich einige Schritte entfernt unterhalten haben, nähern sich den beiden Streithähnen, wagen es aber nicht, sich einzumischen. In der gespannten Stille ist Nieves’ schrille Stimme so deutlich zu verstehen, dass alle mitbekommen, was sie sagt.
    «Das ist das Gleiche!», zetert sie. «Genau das Gleiche! Was meinst du, wie die Deutschen oder die Schweizer damals über die kleinen Spanier dachten, die auf der Suche nach Arbeit in ihr Land kamen? Ich sag dir, was sie dachten: Diese dunklen Zwerge sind zu nichts anderem gut, als die Drecksarbeit zu machen. Die konnten die Sprache nicht, die hockten immer in der Casa de España zusammen, haben ihre Ghettos nicht verlassen. Von Integration keine Spur.»
    «Immerhin haben sie gearbeitet und nicht geklaut oder gedealt. Die Spanier hatten alle einen Arbeitsvertrag in der Tasche.»
    «Nicht alle!»
    «Die, die keinen hatten, wurden von denen gerufen, die schon da waren und wussten, dass es Arbeit gab.»
    «Und so ist es hier und heute auch.»
    Maribel geht noch einen Schritt auf Rafa zu.
    «Lass gut sein, Rafa», sagt sie beschwichtigend und fügt, mehr zu sich selbst, resigniert hinzu: «Bei dem Thema sieht er immer rot.»
    Aber Rafa ist nicht zu bremsen.
    «Es ist eben nicht das Gleiche. Ganz und gar nicht, verdammt! Wir Spanier haben uns in der Fremde immer anständig benommen, haben uns an die Regeln gehalten. Und weißt du warum? Weil wir kurzgehalten wurden. Uns wurde nämlich nicht der Einkauf im Supermarkt bezahlt. Oder die Miete. Und Moscheen wurden auch nicht für uns gebaut.»
    «Du findest es also falsch, dass man Menschen hilft, die Startschwierigkeiten haben, die sich einleben müssen?»
    «Ja. Die kriegen einen Einkaufskorb geschenkt, und weißt du, wo sie den hinstellen? In ihren Mercedes, der draußen vor der Tür steht. Hätte ich

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