Ende (German Edition)
solltest dir nur darüber bewusst sein, dass du es hast.»
«Und dass es im Moment unsere einzige Energiequelle ist», vollendet Ibáñez den Gedanken. «Sieht man mal von der Sonne ab.»
«Regeln, Regeln, Regeln, ich bin umzingelt von Regeln. Selbst meine Freunde wollen mir vorschreiben, was ich zu tun habe. Es ist wie beim Rauchen: Früher war das kein Problem, alle Männer haben geraucht, dein Vater hat geraucht, es war total normal. Heute hingegen kommt man sich vor wie ein Verbrecher, wenn man sich eine Kippe ansteckt. Sofort heißt es, rauchen sei tödlich. Dabei wird man nur deswegen krank, weil man mit schlechtem Gewissen raucht. Früher starben jedenfalls nicht so viele Menschen an Lungenkrebs.»
«Ganz unrecht hat Hugo nicht», mischt sich Ibáñez ein. «Wir im Westen rauchen seit fünfhundert Jahren, was das Zeug hält, und sind trotzdem nicht völlig degeneriert oder gar ausgestorben. Die Geburtenkontrolle bedient sich da ganz anderer Methoden.»
«Da hast du’s: Selbst der Intellektuelle ist meiner Meinung.»
«Niemand hat dich angegriffen», sagt Ginés ruhig. «Es ist lediglich eine Frage der Höflichkeit. Wenn Rauchen eine Mehrheit belästigt, sollte man es lassen.»
«Und warum fühlen sich die Leute belästigt?», wendet Hugo ein. «Weil die Politiker es ihnen einreden!»
«Die Leute lassen sich von Politikern nicht viel sagen», entgegnet Ginés.
«Dann ist es eben eine Modeerscheinung.»
«Ich würde eher sagen, dass Gesellschaften sich weiterentwickeln», argumentiert Ginés. «In diesem Fall hin zu mehr Respekt. Deine Denkweise ist eher konservativ.»
«Du bist doch nicht etwa auch gegen Moscheen?», stichelt Ibáñez.
«Nein, natürlich nicht. Das mit Rafa ist ein Ding, oder?»
«Ja, wir sind alle ziemlich geschockt», antwortet Ginés. «Wie findest du das?»
«Dass Rafa einfach so abgehauen ist?»
«Was denn sonst?», mischt sich Ibáñez ein.
«Ich meine alles: dass Rafa verschwunden ist, dass er sich gestern mit Nieves gezofft hat, dass kein technisches Gerät funktioniert.»
«Schaut mal da», sagt Ginés mit einem Kopfnicken in Richtung Pfad. «Die Frauen kommen zurück. Offenbar haben sie mehr Spaß als wir.»
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Nieves – Hugo – Cova – Amparo – Ibáñez – María – Ginés – Maribel
W ie üblich ist Maribel geschminkt, auch ihre Dauerwelle sitzt so perfekt wie immer. Nur aus der Nähe betrachtet, im unbarmherzigen Sonnenlicht, erkennt man den feinen Unterschied zur gestrigen Makellosigkeit: Ihre Augen sind wässriger, wirken trotz Wimperntusche und Lidschatten weniger dunkel. Die Falten an den Augenrändern treten stärker hervor, als wäre das Gesicht mit einer Farbschicht überzogen. Die Haare sind am Ansatz heller, die Locken am Nacken leicht verfilzt.
Auf dem Weg nach oben hat Maribel eine modische Sonnenbrille mit großen, runden Gläsern getragen, aber jetzt, auf dem Platz, hat sie sie abgesetzt und lächelt. Ibáñez stellt die ersten Fragen, María gesellt sich zu Ginés und legt ihm in aller Natürlichkeit den Arm um die Taille. Cova fragt Hugo: «Na, ausgeschlafen?» Maribel ist es peinlich, auf Hugo zu treffen, man sieht es ihrem Gesicht an, dem gezwungenen Blick, den sie ihm kurz zuwirft, ihrer gespielten Zuversicht.
«Hallo, Hugo.»
«Maribel», antwortet er. «Ich hab’s schon gehört. Keine Sorge, der kriegt sich schon wieder ein und kommt zurück. Ich weiß, wovon ich spreche, ich bin ja schließlich auch ein Mann. Am Ende kommen wir immer zurück. Erst meckern wir, aber dann …»
«Danke, Hugo», sagt Maribel. «Darüber habe ich heute Morgen schon … Darüber haben wir heute Morgen schon gesprochen. Ich will jetzt nur noch eins: so schnell wie möglich nach Hause oder wenigstens anrufen. Den Kindern haben wir nämlich gesagt, dass wir gegen Mittag zurück sein werden.»
«Gegen Mittag, das wird vielleicht ein bisschen knapp. Aber heute Abend sind wir wieder zu Hause, darauf kannst du dich verlassen, und wenn wir dafür zu Fuß nach Somontano gehen müssen.»
«Das hat gerade noch gefehlt! Hoffentlich finden wir eine andere Lösung.»
Die anderen haben sich diskret zurückgezogen, als Hugo das heikle Thema angesprochen hat. Instinktiv haben sie sich zu den drei Männern in den Schatten der großen Eiche gestellt. Während Hugo und Maribel sich unterhalten haben, fragt Ibáñez nach dem Ergebnis der Expedition.
«Wir haben das Zelt gefunden», berichtet Nieves, «oder besser gesagt, die zwei
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