Ende (German Edition)
Satz nicht, sieht stattdessen zu der Pritsche mit dem zusammengerollten Schlafsack. Davor steht eine Sporttasche mit geöffnetem Reißverschluss.
«Ja, das ist sein Bett», bestätigt Ibáñez. «Maribel wollte die Sachen nicht anrühren. Die Arme ist völlig fertig.»
«Dann hat er also seine Sachen dagelassen?»
«Ja, er hat nur mitgenommen, was er auf dem Leib trug, auch keinen Anorak, wobei es ja nicht kalt war. Sogar sein Handy ist noch hier, aber es funktioniert ja sowieso nicht.»
Hugo versinkt in Schweigen, als hätte er vergessen, dass Ibáñez auch noch da ist.
«Merkwürdig, das mit Rafa», sagt er schließlich. «Einfach so abzuhauen, zu Fuß.»
«Vielleicht dachte er, er kriegt das Auto an. Die Schlüssel hat er nämlich mitgenommen.»
«Aber das Auto stand noch da, wo es vorher gestanden hat, oder?»
«Ja, kann sein, dass er es probiert hat, aber bewegt hat er es nicht.»
«Irgendwas ist da faul. Das sieht Rafa doch gar nicht ähnlich, so abhängig, wie er von Maribel ist.»
«Das habe ich auch gedacht, aber offenbar gab es in letzter Zeit Spannungen zwischen den beiden. Maribel ist stinksauer auf ihn, deshalb haben die anderen Frauen sie mit auf diese Exkursion geschleppt.»
«Was meinst du mit Spannungen?»
«Gestern, als sie ins Bett gingen, haben sie sich gestritten. Rafa wollte nach Hause fahren, und sie hat ihn zu überzeugen versucht, dass es dafür zu spät sei. Nach der Auseinandersetzung mit Nieves fühlte sich Rafa von allen angegriffen und hatte offenbar den Eindruck, dass selbst Maribel sich auf unsere Seite gestellt hatte.»
«Trotzdem, es ist und bleibt komisch.»
«Maribel ist da anderer Meinung. Wie gesagt, in letzter Zeit gab es Spannungen zwischen den beiden.»
«Bei welchem Paar gibt’s die nicht? Nach zwanzig Jahren. Wir kochen alle nur mit Wasser. Das ist doch kein Grund, einfach so abzuhauen. Wenn man etwas lernt mit den Jahren, dann doch wohl, sich zusammenzureißen und nicht gleich auszuflippen.»
«Vielleicht taucht er ja bald wieder auf.»
«Was für ein Haufen Spinner!», kommentiert Hugo und lässt sich quer aufs Bett sinken.
«Nein, nichts da!», reagiert Ibáñez schnell, als er sieht, wie Hugo sich zurück in die Horizontale begibt. «Zieh dich lieber an. Die Frauen kommen jeden Moment zurück, und wenn sich nichts Positives ergeben hat, was ich sehr bezweifle, müssen wir uns zusammensetzen und überlegen, was wir tun sollen.»
«Was Positives?», fragt Hugo, der den Kopf angehoben hat. «Zum Beispiel?»
«Dass die Bergsteiger ein Handy haben, das funktioniert. Oder ein Auto.»
«Ach, stimmt, die Bergsteiger, das hattest du ja gesagt.»
Hugo setzt sich auf, macht aber keine Anstalten, sich zu erheben. Reglos sitzt er da, mit starrem Blick, in seine Gedanken versunken.
«Beeil dich», drängt Ibáñez. «Es ist gleich Mittag, und vielleicht steht uns noch ein kilometerlanger Fußmarsch bevor.»
Hugo sieht Ibáñez an, aber er wirkt abwesend, wie jemand, der nicht merkt, dass man mit ihm spricht.
«Los jetzt, Cova hat dir Kaffee übrig gelassen. Damit du nicht meckerst.»
«Ah, Kaffee, ja, das ist gut.»
«Sag mal! Ich dachte, du würdest dich freuen. Cova hat nämlich gesagt, dass du morgens zuallererst nach einer Tasse Kaffee schreist: ‹Ein Kaffee! Mein Königreich für einen Kaffee›, wie Shakespeare sagte.» Als er sieht, dass Hugo immer noch gedankenverloren dasitzt, gibt Ibáñez auf. «Sei’s drum, der Kaffee ist sowieso längst kalt. Ist nämlich der von gestern, der aus der Thermoskanne.»
«Hör mal», sagt Hugo, endlich aus seiner Versunkenheit erwacht, «wir könnten rauf zur Siedlung gehen, ist nicht weit. Vielleicht finden wir dort jemanden.»
«Sehr schön. Wie ich sehe, aktivierst du endlich deine grauen Zellen. Originell ist dein Vorschlag zwar nicht gerade, aber es ist immerhin ein Anfang. Also, zieh dich an, ich warte draußen auf dich. Der Morgen bietet sich für einen Ausflug geradezu an. Schade nur, dass wir die kühlsten Stunden verschwendet haben. Es wird heute nämlich richtig heiß.»
Hugo steht auf und reckt sich, um die Taubheit aus den Gliedern zu bekommen. Plötzlich zuckt er zusammen, ein Hustenanfall schüttelt ihn, lässt ihn auch nicht los, als er zu seinem Bett geht und in seinen Sachen wühlt. Er findet, was er sucht: sein Päckchen Zigaretten. Doch er wühlt weiter, mit bebenden Schultern, eine Zigarette zwischen den Lippen, bis er seine Hand triumphierend aus einer Tasche zieht und sie um das
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