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Ende (German Edition)

Ende (German Edition)

Titel: Ende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Monteagudo
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sind. Ich erinnere mich jetzt nämlich auch wieder an diese Kurve.»
    «Seht mal!», ruft María, die einige Schritte vorausgegangen ist. «Ein Auto!»
    María geht schneller, löst sich von der inneren Wand. Die anderen zögern kurz, aber folgen ihr dann vorsichtig, bis auch sie die Schnauze eines metallicblauen Kleinwagens erblicken. Alle sind aufgeregt. Schweigend nähert sich María dem Auto, langsam, vorsichtig. Die anderen hinter ihr reden wild durcheinander.
    «Es bewegt sich! Das Auto hat sich bewegt!»
    «Ach ja?»
    «Kam mir jedenfalls so vor.»
    «Wir sind es, die sich bewegen! Das Auto steht still.»
    «Da sitzen Leute drin!»
    «Ja, aber sie rühren sich nicht. Wahrscheinlich sind sie tot!»
    «Dreht ihr jetzt völlig durch? Da ist niemand. Was ihr da seht, sind die Kopfstützen!»
    «Wenigstens ist das Auto noch heil und steht auf der Straße, nicht so wie das gestern. Sieht so aus, als wäre es gerade erst abgestellt worden.»
    «Nicht ganz, dafür steht es zu nah am Straßenrand.»
    «Hier hört die Kurve auf.»
    Vor ihnen liegt eine von Gestrüpp gesäumte und von der Sonne beschienene Gerade. Vorerst aber zieht das Auto ihr Interesse auf sich: Wie es dort steht, mitten in der Kurve, mitten auf der Fahrbahn, mit geschlossenen Türen. Inzwischen sind alle an dem Fahrzeug angekommen. Die Scheiben sind oben. Offenbar ist das Auto neu, der Lack ist sauber, glänzt. Auch der Innenraum ist gepflegt, nichts liegt herum wie sonst in Autos.
    «Der Besitzer ist offenbar ein Ordnungsfanatiker», kommentiert Amparo, die ihre Hand an die Stirn gelegt hat und ins Auto späht.
    «War», korrigiert sie Maribel.
    «Und einen Sauberkeitsfimmel hatte er auch», fügt María hinzu.
    «Das Auto ist über fünf Jahre alt», erklärt Amparo. «Die TÜV-Plakette ist noch gültig: 2008.»
    Ginés legt die Hand an den Griff der Fahrertür, lässt sie einige Sekunden ruhen und zieht dann abrupt daran. Sie lässt sich mühelos öffnen.
    «Typisch», kommentiert Nieves und geht um das Auto herum. «Die Türen offen, der Schlüssel im Zündschloss. Seht ihr: ganz typisch.»
    «Es riecht nach Auto», sagt Nieves, «nach neu.»
    «Als Kind wurde mir davon immer schlecht», erklärt María.
    «Hier stimmt was nicht», sagt Ginés und tritt einen Schritt zurück.
    Alle spähen ins Wageninnere und sehen sich dann fragend an.
    «Was stimmt nicht?», fragt Nieves ängstlich.
    Ginés zögert einige Sekunden. Sein Blick ist starr auf das Auto gerichtet, nervös trommelt er mit den Fingern aufs Dach.
    «Die Gurte», flüstert er schließlich mit gesenktem Blick, als fiele es ihm schwer, den anderen ins Gesicht zu sehen. «Sie sind angelegt.»
    Die Bänder der Sicherheitsgurte spannen sich um den dunkel gepolsterten Sitz. Die Entdeckung hat eine lähmende Wirkung.
    «Es waren zwei», sagt Amparo in die Stille hinein wie zu sich selbst.
    Die anderen schweigen. Hilfesuchend blickt Nieves einen nach dem anderen an, stößt jedoch auf abwesende oder ausweichende Blicke. Ginés steht nach wie vor regungslos da. Was in ihm vorgeht, lässt sich an seinen zusammengekniffenen Augen nicht ablesen. Plötzlich schiebt María Ginés schroff beiseite, setzt sich ins Auto, untersucht alles, fasst an den Schaltknüppel, dreht den Zündschlüssel. Dann lässt sie sich aufs Lenkrad fallen, schnaubt wütend, ohnmächtig. Plötzlich geht die rechte Tür auf, jemand greift ins Handschuhfach, in die Seitenablage, zwischen die Sitze. Es ist Hugo. Offenbar ist er der Einzige, der nicht wie gelähmt ist, der sich nicht entmutigen lässt.
    «Er ist abgesoffen», sagt Ginés an niemand Bestimmten gerichtet. «Hier geht’s bergauf, da ist er abgesoffen.»
    «Lasst uns weitergehen», sagt Hugo plötzlich. «Dieser Idiot war Nichtraucher.»
    Hugos hektische Aktivität deutet darauf hin, dass er sich erholt hat, aber darauf achtet im Moment keiner. Langsam steigt María aus dem Auto, sieht dabei Maribel an. Maribel wiederum hält ihrem Blick mit eisigem Hochmut stand. Keine der beiden sagt ein Wort.
    «Okay, lasst uns weitergehen», schlägt Ginés resigniert vor. «Hier … Es ist ja nicht mehr weit.»
    Hugo, Ginés, Amparo, Nieves und María lassen das Auto mit offenen Türen stehen und machen sich still auf den Weg. Die Sonne blendet, dem Gestrüpp entsteigt trockene Luft, es duftet nach Fichte, Rosmarin und Thymian. Der Asphalt ist grau und mit Schlaglöchern übersät. Vor ihnen liegt eine fünfzig oder sechzig Meter lange Gerade, die in eine weitere, ebenfalls in

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