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Ende (German Edition)

Ende (German Edition)

Titel: Ende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Monteagudo
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Wort «allmächtiger». «Und nebenbei räumt er alle anderen Menschen mit aus dem Weg.»
    «Bitte», fleht Ginés. «Mach es nicht noch schwerer, als es ohnehin schon ist. Nicht du.»
    «Aber ich weiß überhaupt nicht, wem ich da helfe! Mit wem ich es zu tun habe! Ich weiß nicht, wer du bist!»
    Ginés sieht María erstaunt an, wie vor den Kopf gestoßen. Er macht den Eindruck, als fiele ihm die Antwort nicht leicht.
    «Du weißt, was ich weiß», erwidert er schließlich. «Und ich selbst weiß oft auch nicht, wer ich bin.»
    María schweigt einige Sekunden lang, sieht zerstreut zu Amparo, die nicht mehr zuzuhören scheint und wieder an ihrem Handy herumfingert. Aber sie denkt nicht an Amparo, sie denkt an Ginés.
    «Du glaubst diesen Quatsch mit dem Propheten auch, stimmt’s?», fragt sie mit resignierter Gelassenheit.
    «Natürlich glaubt er es. Womöglich steckt er sogar mit ihm unter einer Decke!», mischt sich Amparo ein und hebt für einen kurzen Moment den Blick.
    Ginés hält sich eine Hand vor die Augen und massiert sich die Stirn. Dann schüttelt er den Kopf und atmet geräuschvoll aus, als wäre er plötzlich unendlich müde.
    «Lasst uns weiterfahren, wenigstens bis zur Hauptstadt», bittet er und nimmt die Hand von der Stirn. «Mehr verlange ich nicht. Danach kann jeder tun, was er für richtig hält. Ich habe keine Lust mehr, ständig den Karren zu ziehen.»
    «Er will uns zum Schlachthof führen», sagt Amparo so schauerlich gleichgültig wie eben. «Aber das wird ihn auch nicht retten. Du hingegen …»
    «Es reicht!» María platzt der Kragen. «Wenn du mit uns kommen willst, behältst du von jetzt ab deinen Scheiß für dich. Ist das klar? Wir haben alle mal einen Durchhänger, aber dann heißt es eben: Zähne zusammenbeißen. Wenn man zusammen in der Patsche sitzt, geht man einander nicht auf die Nerven, kapiert?»
    Kurz sind alle still. Nur das Zirpen der Zikaden ist zu hören, das heftige Atmen Marías, deren Brust sich hebt und senkt. Amparo macht ein verächtliches Gesicht und wendet sich wieder ihrem Handy zu.
    «Schaffen wir es heute noch bis zur Hauptstadt?», fragt María. Ihre Stimme klingt kühl, vielleicht weil sie nach dem Streit mit Amparo gelassen klingen will.
    «Das Problem ist nicht, ob wir es heute noch schaffen; das Problem ist, wie viele von uns es schaffen», sagt Amparo leise, wie zu sich selbst.
    María hat es gehört, ein Augenzucken verrät sie. Aber sie wendet Amparo den Rücken zu und ignoriert sie. Auch Ginés enthält sich jeden Kommentars.
    «Ich weiß nicht, ob wir es schaffen», sagt er zögernd. «Hängt davon ab, wie schnell …»
    «Ich denke gar nicht daran, noch mal im Freien zu übernachten», lässt Amparo sie wissen.
    «Selbst wenn wir es nicht schaffen: Wir kommen nah ran», fährt Ginés fort. «Zehn oder fünfzehn Kilometer vor der Hauptstadt liegt eine Villensiedlung, da suchen wir uns eine schöne Villa aus mit Swimmingpool und …»
    «Dann los», drängt María. «Lasst uns nicht noch mehr Zeit vergeuden. Unser Hunger scheint ja gestillt.»
    Amparos Sandwich liegt fast unberührt auf dem Boden neben ihrem Stuhl. Auf dem Weg zu den Fahrrädern nehmen Ginés und María ihre Sandwiches von den Stühlen. María verzieht das Gesicht, geht zum nächstgelegenen Mülleimer und schmeißt ihres weg.
    «Hat beschissen geschmeckt», kommentiert sie, wie um sich zu rechtfertigen, und kehrt zu ihrem Fahrrad zurück.
    Ginés nimmt nachdenklich die dreieckige Plastikverpackung, legt sein halbverzehrtes Sandwich hinein und verstaut es in der Satteltasche.
    María und er haben gerade ihre Fahrräder aufgehoben, als Amparo auf sie zukommt, langsam, lustlos, den Blick auf das Handy gerichtet, wie ein von einer langen Reise genervter Teenager, der an der Tankstelle von seinen Eltern zum Auto gerufen wird. Aber Amparo ist über vierzig, hat graue Haare und ein gegerbtes Gesicht, in dem die Falten um die Augen rötlich blass hervortreten, wenn sie die Stirn runzelt.
    «Er war’s, jede Wette», sagt sie, bevor sie ihre Hand in die Tasche steckt. «Am Anfang habe ich noch was anderes vermutet, aber jetzt bin ich mir sicher, dass er sich einen Spaß daraus macht, Katz und Maus mit uns spielen.»
    Als Amparo aufblickt, ziehen die anderen ein seltsames Gesicht, sodass sie sich umdreht. Hinter den Stühlen, auf denen sie eben noch gesessen haben, lauert ein Hund. Er reckt den Hals, nähert die Schnauze zentimeterweise dem Sandwich, das Amparo dort liegengelassen hat,

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