Ende (German Edition)
sich von dem Anblick los und wendet sich an Amparo: «Amparo, weißt du, ob hier in der Gegend eine Hunderennbahn …?»
Er verstummt. Amparo steht da wie eine Salzsäule, starr vor Panik, die Hände auf Kopfhöhe, die Gesichtszüge angespannt, die Augen geschlossen. Ab und zu öffnet sie die Lider einen Spaltbreit, um nach unten zu spähen, um zu prüfen, ob der Horror anhält. Sie ist bis zur Hüfte umgeben von gewölbten, sich schlängelnden Rücken, auf denen sich jeder Wirbel deutlich abzeichnet; ein gräulich brauner Strom, der sie umspült, ohne sie zu berühren.
«Ganz ruhig», beschwört Ginés sie. «Die tun dir nichts.»
Gleichzeitig beginnt er selbst nervös zu werden, weil immer mehr neugierige, schnüffelnde Windhunde die Tankstelle bevölkern. Schnauze an Schnauze drängen sie sich um den Mülleimer, um die Stühle, auf denen von den Brötchen nichts mehr zu sehen ist, bilden große Knäuel aus zappelnden Körpern, aus dem heraus Bellen ertönt, so spitz und scharf wie die Anatomie derer, die es ausstoßen.
Vor allem aber sorgt Ginés das Rudel um María, die immer gieriger, immer frecher drängenden Schnauzen, die nun zu schnappen beginnen, ohne zuzubeißen, als wäre es ein Test, als wären die Bisse unabsichtlich, ein Übermaß an neckischer Vertraulichkeit. Ginés sieht in Marías Augen, dass auch sie es jetzt mit der Angst zu tun bekommt. Gleichzeitig nimmt er wahr, dass sich hinter ihm, an seinem Fahrrad, ebenfalls Hunde drängen, ihre Schnauze in die Satteltaschen zu stecken versuchen, die er in weiser Voraussicht geschlossen hat.
«Hört mal», sagt Ginés langsam, ohne die Stimme zu heben, bemüht, seine Nerven im Zaum zu halten. «Lasst und aufsteigen und verschwinden, aber langsam, ganz langsam, nur keine abrupten Bewegungen.»
Behutsam dreht sich María zu ihrem Fahrrad um, sorgt aber trotzdem für Unruhe, für ein störrisches Zucken der sie umwimmelnden Tierleiber, der gen Himmel gereckten Schnauzen und Zähne.
«Gib mir die Hand! Du sollst mir die Hand geben!», zischt Ginés, der seinen Arm ausgestreckt hat, um Amparo eine Brücke zu bauen. Aber Amparo ist wie gelähmt, kann sich nicht aus ihrer Starre lösen. Schließlich gelingt es Ginés, ihre Hand zu ergreifen. Er beginnt an ihr zu ziehen. Mitsamt dem Hundeknäuel setzt sich Amparo in Bewegung, streckt die Arme vom Körper weg und geht wie jemand, der auf Zehenspitzen ins Meer watet und den Bauch einzieht, um den Kontakt mit dem kalten Wasser möglichst lang hinauszuzögern.
Sie hat die Augen geschlossen, der Ekel steht ihr ins Gesicht geschrieben. Ab und zu wirft sie flüchtig einen Blick nach unten. Ginés führt sie zu ihrem Fahrrad, wo sie kurz durchatmen kann, weil es keine Satteltaschen hat und von den Hunden nicht beachtet wird. Sie steigt auf und ist abfahrbereit.
María hat es schwerer. Sie hält den Lenker und versucht, ein Bein über den Sattel zu schwingen. Aber ihr Gesicht verrät, dass sie aufs äußerste angespannt ist, dass es sie schier übermenschliche Kraft kostet, weil die Hunde sie immer stärker bedrängen, immer dreister werden. Ihre anfängliche Scheu hat sich in Aggression verwandelt: Mal halten sie sie an einem Fuß zurück, mal an einem Handgelenk, ein Hund hat sich in Marías Hose verbissen und zerrt daran, aber noch hält der Stoff stand.
Ginés sieht, wie María leidet, aber er hat ein dringenderes Problem: Das Gewimmel um seine Satteltasche ist inzwischen so dicht, dass er nicht an sein Fahrrad herankommt, ohne das Konglomerat aus zuckenden Leibern, Pfoten, Rücken und Nacken aufzulösen.
Er ist ratlos, weiß nicht, was er tun soll. Es ist ein Wunder, dass die Windhunde die Satteltasche noch nicht zerfetzt haben. Offenbar bremst sie ihre natürliche Zurückhaltung. Andererseits hat diese Zurückhaltung auch etwas Beunruhigendes, ist wie eine feine Membran, die sich immer stärker spannt und bei der nächsten abrupten Bewegung zu reißen droht.
Da geschieht etwas Unerwartetes. Weil die Hunde immer stärker an der Satteltasche zerren, beginnt das Fahrrad zu kippen. Die Tiere weichen zurück, weil sie nicht unter das Metallgestell geraten wollen. Ginés nutzt diesen Moment der Verwirrung, holt die Plastikschachtel aus der Tasche.
«Nichts wie weg hier!», schreit er.
«Ich kann nicht!», schluchzt María.
Sie hat es geschafft, sich aufs Fahrrad zu setzen, hat sogar schon einen Fuß aufs Pedal gestellt, aber die Hunde halten sie zurück, zerren an ihren Strümpfen, an den Schnürsenkeln
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