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Enders Schatten

Enders Schatten

Titel: Enders Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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Toilette. Und er war hier und da, wo er sich gegen den Mechanismus der Spüle gedrückt hatte, ganz rot.«
    Â»Er konnte reden?«
    Â»Nicht viel. Ein paar Worte. Er war so winzig. Ich wollte kaum glauben, dass ein so kleines Kind reden konnte.«
    Â»Wie lange war er da drin?«
    Pablo zuckte mit den Achseln. »Seine Haut war schrumpelig wie die einer alten Frau. Überall. Und er war kalt. Ich dachte, er stirbt. Das war kein warmes Wasser wie in einem Swimmingpool. Es war kalt. Er hat die ganze Nacht gezittert.«
    Â»Ich verstehe nicht, warum er nicht gestorben ist«, sagte Schwester Carlotta.
    Pablo lächelte. »No hay nada que Dios no puede hacer.«
    Â»Das stimmt«, entgegnete sie. »Aber es bedeutet nicht, dass wir nicht versuchen können herauszufinden, wie Gott seine Wunder wirkt. Oder warum.«
    Pablo hob die Hände. »Gott tut, was er tut. Ich arbeite und lebe, so gut ich kann.«
    Sie drückte seinen Arm. »Sie haben ein Kind aufgenommen und es vor Leuten gerettet, die es töten wollten. Gott hat gesehen, wie Sie das taten, und er liebt Sie.«
    Pablo schwieg, aber Schwester Carlotta konnte sich vorstellen, was er dachte – wie viele Sünden wurden durch eine solche gute Tat ausgeglichen, und würde es genügen, damit er nicht in die Hölle musste?
    Â»Gute Taten waschen die Sünden nicht ab«, sagte Schwester Carlotta. »Solo el redemptor puede limpiar su alma.«
    Pablo hob die Brauen. Er war kein Theologe.
    Â»Man begeht gute Taten nicht für sich selbst«, erläuterte Schwester Carlotta. »Man begeht sie, weil Gott in einem ist, und in jenem Augenblick waren Sie seine Hände und seine Füße, seine Augen und seine Lippen.«
    Â»Ich hielt dieses Baby für Gott. Jesus sagt: ›Was du den Kleinen tust, tust du mir.‹«
    Schwester Carlotta lachte. »Gott wird schon mit den Einzelheiten zurechtkommen, wenn es an der Zeit ist. Es genügt, dass wir versuchen, ihm zu dienen.«
    Â»Er war so klein«, murmelte Pablo. »Aber Gott war in ihm.«
    Sie verabschiedete sich von ihm, als er vor seinem Apartmenthaus aus dem Taxi stieg.
    Warum habe ich diese Toilette mit eigenen Augen sehen müssen? Meine Arbeit mit Bean ist vorüber. Er ist gestern mit dem Shuttle abgeflogen. Warum kann ich die Angelegenheit nicht auf sich beruhen lassen?
    Weil er hätte tot sein müssen. Und nachdem er all diese Jahre auf der Straße Hunger gelitten hatte, hätte die Unterernährung zumindest zu einem ernsthaften geistigen Schaden führen müssen. Er hätte dauerhaft zurückgeblieben sein müssen.
    Deshalb konnte sie die Frage nach Beans Herkunft nicht auf sich beruhen lassen. Vielleicht hatte er ja einen Schaden davongetragen. Vielleicht ist er zurückgeblieben. Vielleicht hat er so klug begonnen, dass er die Hälfte seines Intellekts verlieren und immer noch der Wunderjunge sein kann.
    Sie musste daran denken, wie der heilige Matthäus immer sagte, dass die Gottesmutter alle Dinge, die während Jesu Kindheit geschahen, in ihrem Herzen bewahrte. Bean ist nicht Jesus, und ich bin nicht Maria, aber ich habe ihn geliebt wie meinen Sohn. Was er getan hat, hätte kein Kind dieses Alters tun können.
    Kein Kind jünger als ein Jahr, das noch nicht richtig laufen konnte, hätte solch ein klares Verständnis der Gefahr haben können, um dann die Dinge zu tun, die Bean getan hatte. Kinder in diesem Alter kletterten oft aus ihren Bettchen, aber sie versteckten sich nicht stundenlang in einem Toilettenspülkasten und kamen dann lebendig heraus und baten um Hilfe.
    Ich kann es so lange ein Wunder nennen, wie ich will, aber ich muss es verstehen können. Für die Organfarmen benutzen sie den Abschaum der Menschheit. Bean ist so außergewöhnlich begabt, dass er außergewöhnliche Eltern gehabt haben muss.
    Und dennoch, bei all ihren Nachforschungen in den Monaten, als Bean bei ihr gewohnt hatte, hatte sie keinerlei Informationen über eine Entführung gefunden, bei der es um Bean hätte gehen können. Kein entführtes Kind. Nicht einmal ein Unfall, nach dem jemand vielleicht ein überlebendes Kind gestohlen hatte, dessen Leiche deshalb nie gefunden worden war. Das war kein Beweis – nicht jedes verschwundene Baby hinterließ ein Lebenszeichen in den Zeitungen, und nicht jede Zeitung wurde archiviert und war für die Suche im Netz zugänglich. Aber Bean musste ein

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