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Enders Schatten

Enders Schatten

Titel: Enders Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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… so verachtenswert Bonzo auch sein mochte, er war immerhin Kommandant. Was bedeutete, dass es möglich sein musste, Kommandant zu werden, ohne die Art von Junge zu sein, die alle respektierten. Nach welchen Maßstäben wurden in diesem Kriegsspiel, um das das Leben in der Kampfschule kreiste, Führungspositionen verteilt?
    Und wichtiger, wie werde ich Kommandant?
    Erst jetzt begriff Bean, dass er überhaupt ein solches Ziel hatte. Er hatte die besten Ergebnisse in seiner Frischlingsgruppe gehabt – aber er war auch der Kleinste und Jüngste und durch bewusste Interventionen seiner Lehrer noch weiter isoliert und zu einem Objekt der Ablehnung gemacht worden. Irgendwie war Bean inmitten von alledem zu dem Schluss gekommen, dass es nicht so sein sollte wie in Rotterdam. Er würde nicht am Rand leben und sich nur dann einmischen, wenn es für sein Überleben absolut erforderlich war. Nein, er hatte vor, sich so schnell wie möglich in eine Position zu manövrieren, in der er eine Armee kommandieren konnte.
    Achilles herrschte, weil er brutal war, weil er bereit war zu töten. Das würde sich immer über Intelligenz hinwegsetzen, wenn der Intelligente körperlich kleiner war und keine starken Verbündeten hatte. Aber hier schubsten die Schläger einen nur und schwatzten. Die Erwachsenen hatten alles unter Kontrolle, und es würde keine Brutalität herrschen, nicht, wenn es darum ging festzulegen, wer Kommandant sein würde. Intelligenz hatte also eine Chance zu siegen. Vielleicht würde Bean irgendwann tatsächlich nicht mehr unter der Herrschaft von Dummen leben müssen.
    Und wenn er das wirklich wollte – und warum es nicht versuchen, solange sich kein wichtigeres Ziel ergab? – , musste er herausfinden, wie die Lehrer ihre Entscheidungen darüber fällten, wer Kommandant wurde. Hatte es nur mit der Leistung im Unterricht zu tun? Das bezweifelte er. Die Offiziere der Internationalen Flotte, die diese Schule betrieben, konnten doch nicht so dumm sein. Die Tatsache, dass sie dieses Fantasy-Spiel auf jedem Pult hatten, legte nahe, dass sie auch nach Persönlichkeiten suchten. Nach Charakter. Am Ende, nahm Bean an, würde Charakter mehr zählen als Intelligenz. In Beans Litanei des Überlebens – Erforschen, Nachdenken, Entscheiden, Handeln – zählte Intelligenz nur bei den ersten drei Punkten, und entscheidend war sie nur beim zweiten. Die Lehrer wussten das.
    Vielleicht sollte ich das Fantasy-Spiel doch spielen, dachte Bean.
    Aber dann: noch nicht. Sehen wir erst einmal, was passiert, wenn ich es nicht tue.
    Gleichzeitig kam er zu einem anderen Schluss, von dem er nicht einmal wusste, dass er darüber nachgedacht hatte. Er würde mit Bonzo Madrid sprechen.
    Bonzo befand sich mitten in einem Computerspiel, und er gehörte offenbar zu den Leuten, die alles Unerwartete als einen Affront gegen ihre Würde betrachten. Wenn Bean also etwas erreichen wollte, durfte er sich Bonzo nicht untertänig nähern wie die Schleimer, die sich um ihn herum drängten und ihn sogar noch für die dümmsten Fehler beim Spiel lobten.
    Stattdessen drängte sich Bean nahe genug heran, um zu sehen, wann Bonzos Spielfigur starb – wieder einmal. »Señor Madrid, puedo hablar convosco?« Spanisch fiel ihm relativ leicht. Er hatte in Rotterdam zugehört, wenn Pablo de Noches mit anderen Immigranten sprach, die ihn in seiner Wohnung besuchten, und wenn er mit Familienmitgliedern zu Hause in Valencia telefonierte. Und Bonzos Muttersprache zu benutzen hatte die erwünschte Wirkung. Er ignorierte Bean nicht. Er drehte sich um und starrte ihn wütend an.
    Â»Was willst du, bichinho?« Die Kids in der Kampfschule hielten brasilianischen Slang für cool, und Bonzo hielt es offenbar nicht für erforderlich, die Reinheit seines Spanisch zu wahren.
    Bean sah ihm in die Augen, obwohl Bonzo doppelt so groß war wie er selbst, und sagte: »Die Leute hier behaupten, dass ich sie an Ender Wiggin erinnere, und du bist offenbar der Einzige, der ihn nicht anbetet. Ich will die Wahrheit wissen.«
    Dass alle anderen Kinder nun schwiegen, machte Bean deutlich, dass er recht gehabt hatte – es war gefährlich, Bonzo nach Ender Wiggin zu fragen. Aber deshalb hatte Bean seine Frage ja auch so vorsichtig gestellt.
    Â»Du hast verdammt noch mal recht. Ich bete diesen furzfressenden, aufsässigen Verräter nicht gerade an, aber wieso

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