Enders
sich.
»Ruhig«, sagte sie. »Ihr müsst keine Angst haben.«
Ich erkannte ihre Stimme. »Sie sind die Frau von der Schießanlage.«
Sie hatte hinter der Glasscheibe gestanden und den Leuten im Kontrollraum Anweisungen erteilt.
Sie nickte. »Ich sah mit an, was Sie durchzustehen hatten«, entgegnete sie leise. »Ich schäme mich dafür.«
»Weshalb sollten Sie uns helfen?«, fragte Hyden.
»Ich bin – ich war – eine Großmutter. Dieser Krieg nahm mir nicht nur meine Kinder, sondern auch meine Enkelin. Sie verweigerte die Impfung, weil sie der Regierung misstraute.«
Hyden hatte den Airscreen so verändert, dass nur noch ein Muster über die Bildfläche huschte.
»Wenn Sie bleiben, wird man noch brutaler mit Ihnen umspringen. Deshalb muss ich Ihnen zur Flucht verhelfen – auch wenn es ein hohes Risiko bedeutet.«
Wir drei wechselten besorgte Blicke.
»Sie müssen rasch fort von hier«, drängte sie.
»Sie haben unsere Zellentür aufgeschlossen?«, fragte ich.
»Ja. Ich wollte Ihnen den Weg ins Freie zeigen, aber dann kam ein Wachtposten vorbei. Ich musste ihn ablenken.« Sie griff in ihre Tasche, und Hyden zuckte zusammen.
Aber sie holte nur einen Schlüsselbund hervor. »Hier.«
Ich streckte die Hand aus. »Unsere Autoschlüssel.«
»Sie haben das Alarmsystem ausgeschaltet«, sagte sie zu Hyden. »Gehen Sie jetzt!«
»Danke.« Ich nickte ihr zu.
Und dann, aus einem unwiderstehlichen Impuls heraus, in dieser schrecklichen Situation etwas Nähe zu finden, umarmte ich sie.
»Beeilen Sie sich!«, drängte sie.
Wir hasteten nach draußen. Im Korridor deutete sie auf eine Tür zur Linken.
»Hier entlang«, raunte sie. »Viel Glück!«
Wir rannten los und stießen die Tür auf. Sie führte in einen kurzen Gang mit der Projektion eines freien Feldes. An seinem Ende befand sich eine weitere Tür. Sie schwang lautlos auf. Kein Alarm schrillte. Die Tür nach draußen.
Wir standen vor einem Durchgang zwischen unserem und dem benachbarten Gebäude. Links von uns befand sich die Straße. Wir traten in die frische, klare Nachtluft hinaus. Nichts roch so gut wie die Freiheit.
Wir blickten uns vorsichtig um. Weit und breit war niemand zu sehen. »Der Wagen«, keuchte ich. »Wo ist er?«
Michael deutete auf die Kreuzung am anderen Ende des Gebäudes, wo sich die Parkplatzausfahrt zur Straße befand. »Hier entlang.«
Wir rannten im Schatten der geparkten Autos los, überquerten die Seitenstraße und standen schließlich vor unserem SUV . Ich sperrte auf, ließ mich auf den Beifahrersitz fallen und warf Hyden die Schlüssel zu.
»Kein Mensch unterwegs«, meinte Michael nach einem Blick aus dem Autofenster.
»Es ist noch sehr früh am Morgen«, erinnerte ich ihn.
Hyden ließ den Wagen an. Der Motorlärm zerriss die Stille der Nacht.
»Nichts wie los!«, drängte ich.
Und dann waren wir auf dem Weg.
Hyden fuhr die leere Straße entlang. Michael streckte den Arm nach vorn und legte ihn mir auf die Schulter.
»Feiert nicht zu früh«, warnte Hyden. »Ich möchte erst mal einen größeren Abstand zwischen uns und dieses Labor legen.«
Ich schaute an Michael vorbei auf den Airscreen im Fond. Er war immer noch geschlossen, aber unter der Abdeckung drang ein schwaches Leuchten hervor.
»Das Z -Laufwerk«, rief ich. »Vielleicht ist es inzwischen entschlüsselt und ausgewertet.«
Hyden fuhr noch einige Minuten, bis er es wagte, kurz am Straßenrand anzuhalten. »Übernimm du das Steuer«, sagte er zu Michael.
»Wohin fahren wir?«, erkundigte sich Michael.
»Erst mal auf die Schnellstraße und dann nach Osten«, erklärte Hyden.
Hyden und ich stiegen hinten ein und klappten den Airscreen auf, während Michael aufs Gas stieg, um unseren Abstand zu möglichen Verfolgern zu vergrößern. Die Entschlüsselung des Daten-Sticks war abgeschlossen. Hyden setzte das Laufwerk in Gang.
Mein Vater erschien auf dem Airscreen.
Das erste Mal sah ich ihn wieder, nach einer Ewigkeit.
Meine Kehle wurde trocken.
Er sah besorgt aus. Sein Haar war verstrubbelt, und unter seinen Augen zeichneten sich dunkle Ringe ab. Er sah mich direkt an, als wüsste er, dass ich eines Tages vor einem Monitor sitzen und ihm zuhören würde.
»Dieses Laufwerk enthält vertrauliches und urheberrechtlich geschütztes Material, das nicht für die Weitergabe an Unbefugte bestimmt ist. Für den Fall meines Ablebens verfüge ich, Ray Woodland, dass die hierin enthaltenen wissenschaftlichen Unterlagen meinen beiden Kindern Callie und Tyler
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