Endithors Tochter
zurück.
»Wie hast du mich gefunden?«
Sonja trat in die Kammer und schloss die Tür hinter sich. Nachdenklich betrachtete sie den Corinthier. »Das ist eine Geschichte für sich. Steck dein Schwert wieder ein. Du brauchst es nicht – noch nicht!«
Sendes tat wie geheißen. »Also, wie in Mitras Namen hast du mich gefunden, Sonja?«
»Dazu komme ich noch. Hast du was zu frühstücken?«
»Nur Wein.«
»Das wird wohl genügen müssen. Meine Rühreier wurden inzwischen sicher an den Hund verfüttert. Danke.« Sie nahm die angebotene Flasche. »Ich fürchte, ich habe unten etwas Wirbel gemacht. Zwar glaube ich nicht, dass dich im Augenblick jemand hier belästigen wird, aber sicher kann man nie sein.«
»Sonja! Was ist passiert? Wie hast du mich gefunden. Weiß Nalor …«
»Kann ich mir nicht vorstellen. Aber du solltest lieber daran denken, dir eine andere Unterkunft zu suchen. Wer auf der Flucht ist, darf nicht zu lange an einem Ort verweilen.«
»Ich kann nicht von hier weg«, entgegnete er ruhig. »Ich muss hier warten.«
»Worauf? Auf Areels Leibmagd?«
Mit großen fragenden Augen blickte er sie an.
»Ich weiß so einiges«, sagte Sonja, »aber nicht alles. Ich möchte mit dir reden, weil letzte Nacht so allerhand passiert ist. Wir sollten gleich mal anfangen, die Stücke zusammenzusetzen.«
»Was ist mit Lera, Sonja?«
Sie zuckte die Schulter und gab Sendes die Weinflasche zurück. »Wie ich schon sagte, fügen wir mal die Stücke zusammen, ehe wir alle in die Höllen geschickt werden. Wenn ich schon gegen Vampire, Zauberer und Hexen in dieser verdammten Stadt kämpfen muss, dann, bei Tammuz, möchte ich zumindest wissen, warum!«
Im Haus stank es immer noch nach den sechs Leichen, die im Morgengrauen verbrannt worden waren. Irgendwie spürte Lera – mehr als sie ihn roch – den Gestank von menschlichem Fleisch, das nicht durch normales Feuer, sondern durch magische Flammen verzehrt worden war -Fleisch, Knochen und Seelen, alles zusammen, ohne dass das geringste davon übrig geblieben wäre. Es war ein anhaltender Geruch, der unbeschreibbar war, aber sofort an das Böse denken ließ, und den sie noch schlimmer empfand, weil sie wusste, dass er mit zauberbewirktem Tod zusammenhing.
Sie musste weg – fort aus diesem Haus, und wenn nur für eine kurze Weile.
Nach der Feuerbestattung hatte Areel erklärt, sie werde sich in ihre Gemächer zurückziehen, und Lera hatte schüchtern erwähnt, dass noch etwas zum Essen eingekauft werden müsste. Daraufhin hatte Areel sie gehen lassen. Lera nahm einen Korb und einige der Kupferstücke vom Tisch am Eingang, und ließ sich in einem Einspänner zur Straße der Weinhändler bringen. Sendes’ Brief trug sie unter ihrem Mieder bei sich. Als sie ausstieg, bezahlte sie dem Kutscher drei Kupferstücke und ging das letzte Stück des Weges zu Fuß. Immer wieder musste sie Pfützen ausweichen und sich das regennasse Haar aus der Stirn streichen, bis sie das Einhorn erreichte.
Ein paar Gäste saßen herum: grobe Gesellen, Frauen mit harten Augen, Soldaten in Uniformen fremder Länder. Aller Augen richteten sich auf Lera. Mit dem Einkaufskorb noch unter dem Arm trat sie an die Theke und blickte die dünne alte Frau dahinter an.
Die Alte kam stirnrurnzelnd näher. »Was darf’s sein?« fragte sie.
»Ich suche nach einem Bekannten«, wisperte das Mädchen. »Nach Ombus.«
Die Alte erbleichte. »Wie heißt er?«
»Ombus«, wiederholte Lera, erschrocken über das merkwürdige Benehmen der Frau. »Wo finde ich ihn?«
»Er hat das Schneckengemach. Dort durch die Tür zum ersten Stock.«
»Vielen Dank.« Lera lächelte sie freundlich an und durchquerte die Gaststube.
Die alte Frau blickte ihr nach, dann ließ sie den Blick über die Gäste schweifen. Bei Hotath – falls es in ihrem Haus zu Hexereien kommen sollte, würde einer dieser Burschen hier ihr helfen können?
Lera fand die Tür und klopfte schüchtern. »Ombus?« rief sie leise. »Ombus?«
Die Tür schwang auf. Sendes stand vor ihr. Sein Gesicht wirkte grau und eingefallen. An der Wand gegenüber der Tür saß eine rothaarige Frau in ärmellosem Kettenhemd. Lera blickte von ihr zurück zu Sendes.
»Komm herein«, bat der Corinthier sie. Er griff nach Leras Hand und schloss hinter ihr die Tür. »Ich glaube, du kennst die Rote Sonja noch nicht“ oder?« Er drehte sich zu der Frau um. »Sonja, das ist Lera, Areels Leibmagd.«
»Wie geht es dir, Lera?« Sonja blieb sitzen und betrachtete das
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