Endless: Roman (German Edition)
haben«, entgegnete Alaric. »Aber reden Sie ruhig weiter. Hat jemand irgendetwas gemacht, als Chen gefressen wurde?«
»Natürlich«, erwiderte Holtzman, entsetzt über die Vorstellung, dass sie müßig herumgesessen hätten, während ein Kollege verzehrt wurde. »Carolina zog ihr Schwert, aber bevor sie einen Schlag ausführen konnte, sprang die Vampirin einfach davon. Direkt durch das große Wohnzimmerfenster. Natürlich zog sie eine Kaschmirdecke von der Couch, um sich ein wenig gegen das Tageslicht zu schützen. Aber sie hatte es nicht weit bis in den Schatten. Das Haus liegt am westlichen Rand von den Pine Barrens.«
Alaric zog die Augenbrauen hoch. »Den Pine Barrens? Waren Sie da, als Sie mich angerufen haben?«
Holtzman nickte. »Ja. Wir haben die Verfolgung aufgenommen,
obwohl wir eigentlich nicht dafür ausgestattet waren, durch den Wald an der Küste zu rennen. Wie du weißt, stehen die Bäume dort recht dicht … und die Handyverbindung ist ehrlich gesagt schrecklich. Es gibt kaum Mobilfunktürme. Ein paarmal haben wir versucht, Verstärkung anzufordern, kamen aber nicht durch, bis ich dann schließlich dich erreichte. Das war nachdem …« Holtzmans Gesicht wurde im Schein der Neonleuchten noch ein wenig grauer. »Nachdem wir es gefunden hatten.«
Alaric blickte von dem Chaos auf, das er auf dem Fußboden angerichtet hatte. »Was gefunden?«
»Sein Nest«, sagte Abraham. »Es war im dunkelsten Teil des Waldes, so eine Art Sumpfgebiet. Ich weiß nicht, ob jemals ein Mensch dort gewesen ist. In der letzten Zeit auf jeden Fall nicht … nicht lebend. Brianna Delmonico führte uns direkt dorthin, als ob sie von einem Leitstrahl geführt würde. Du weißt ja, dass ich immer an äußerst böse Orte geglaubt habe, genau wie es äußerst gute Orte gibt. Nun, das war so ein Ort, Alaric. Direkt am Wasser. Es stank nach Tod und Verfall. Und da stand er neben seinem Nest, die Flügel gefaltet, und nagte an etwas.«
»Wer stand da?«, fragte Alaric. Ihm lief es kalt den Rücken herunter. Aber eigentlich wusste er es schon.
»Der Teufel«, erwiderte Holtzman. »Er sah genauso aus, wie die Leute, die in der Gegend wohnen, ihn beschrieben haben … mit Hufen, geflügelt, Pferdekopf. Er schien überrascht, uns zu sehen. Und er war enttäuscht, dass wir keine Geschenke mitgebracht hatten.«
»Geschenke?«
»Ja«, erwiderte Holtzman, »wer ihn sonst besuchte, hat
anscheinend immer etwas zu essen mitgebracht. Um das Nest herum lagen Berge voller Knochen.«
»Knochen?«, wiederholte Alaric. Er hatte schon viele seltsame Dinge gehört, aber so etwas noch nie.
»Ja«, sagte Holtzman. »Menschlicher Knochen. Ich glaube, wir haben die vermissten Touristen gefunden.«
Alaric starrte ihn schockiert an. »So werden die Überreste entsorgt? Beim New Jersey Devil?«
»Sieht so aus«, erwiderte Holtzman. »Ganz schön clever, was? Ein Dämon nutzt den anderen, um seine Verbrechen zu vertuschen.«
Alaric hätte es eher als diabolisch bezeichnet. »Und was haben Sie getan?«, wollte er wissen.
Holtzman blinzelte überrascht. »Nun, wir haben natürlich mit allem, was wir dabeihatten, auf ihn eingeprügelt. Weihwasser, Pflöcke, Schwerter. Carolina hat ihn ein paarmal gegen den Kopf getreten. Morioka hatte eine Glock mit Silberkugeln dabei und schoss ihm ins Herz. Das hat schließlich funktioniert. Er quakte noch ein paarmal und zerfiel zu Asche. Ziemlich befriedigend.«
»Ja, gut«, sagte Alaric bewundernd.
»Das fand ich auch«, entgegnete Holtzman. »Es überraschte mich jedoch, dass Bruder Henrique sich nicht darüber zu freuen schien, als er eintraf …«
Alaric blickte ihn verwirrt an. Vielleicht war er ja so lange an seinen Armen aufgehängt gewesen, dass sich dort ein Blutpfropf gebildet hatte, der ihm jetzt das Gehirn verklebte.
So jedenfalls fühlte es sich an, als Abraham Holtzman Bruder Henrique sagte.
»Was?«, schrie er.
»Ja«, fuhr Holtzman fort, »ich fand das zuerst auch merkwürdig. Und ich wusste gleich, dass du so darauf reagieren würdest, schließlich habe ich dir ja erzählt, dass er als Pastor hierhergekommen ist und nicht als Teil unserer Einheit. Das scheint aber nicht zu stimmen. Anscheinend hat er hier oberste Autorität.«
Alaric fluchte unterdrückt.
»Die Sache mit dem Teufel schien ihn und sein Team sehr zu verärgern, und er beschuldigte uns sogar, unnötige Gewalt angewendet zu haben. Anscheinend hätten sie ihn lieber lebendig gefangen. Und der Helikopter schlug den Vampir
Weitere Kostenlose Bücher