Endlich Endzeit - ein Baden-Württemberg-Krimi
mit diesem Experten am besten auch gleich einen Termin aus – vielleicht schon für morgen? Die Uhrzeit ist mir egal, ich werd’s mir schon einrichten können. Das Wochenende können wir sowieso vergessen, solange Meier nicht gestanden hat.«
Kurz darauf googelte sich Ernst durch die Welt der Maya-Gläubigen und -Kundigen, klickte krude Pamphlete weg und durchstöberte Verzeichnisse mit Vokabeln und Grammatikregeln, erfuhr, dass rund 60 verschiedene Sprachen im Kulturkreis der Maya kursierten, und fand jede Menge mehr oder weniger verständlicher Informationen zum Maya-Kalender. Schließlich stieß er auf ein Dokument mit dem Titel »Einführung in die Mayasprache Ch’ol«, das sehr fundiert wirkte und 2009 und 2010 Studieninhalt am Lateinamerika-Institut und Institut für Ethnologie der FU Berlin gewesen war.
Aber Berlin – da würde der Dozent, der die »Einführung« verfasst hatte, wohl kaum eben mal an den Ebnisee kommen. Für den Fall, dass sie sich mit einer telefonischen Auskunft begnügen mussten, speicherte Ernst das Dokument, dann suchte er weiter. Etwa zehn Minuten später wurde er fündig: Ein gewisser Fridolin Haab, Ethnologe mit Bachelor-Abschluss und mittlerweile als Lektor in einem Sachbuchverlag in Stuttgart angestellt, wurde in einem Zeitungsartikel zu dem Kinofilm »2012« befragt, und in seinen Antworten zerlegte er das Halbwissen über den vermeintlich bevorstehenden Weltuntergang kenntnisreich, charmant und ohne jede Überheblichkeit. Die Verlagsseite war schnell aufgerufen, und kurz darauf hatte Ernst den Lektor am Telefon und erklärte ihm sein Anliegen.
»Echt? Sie haben wirklich solche Typen bei sich in der Nähe? Cool!«
»Na ja, für uns ist es nicht unbedingt cool – wir ermitteln schließlich in einem Mordfall.«
»Ja, schon klar, aber … was wollen Sie denn wissen?«
»Mein Kollege Schneider ist gerade nicht greifbar, aber wenn wir uns vielleicht morgen treffen könnten, würden wir uns gerne beide von Ihnen ein paar Hintergründe dieser ganzen Maya-Kalender-Geschichte erklären lassen, ein bisschen Mythologie für Einsteiger, gewissermaßen.«
»Kein Problem, morgen hab ich erst abends wieder etwas vor.«
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir das nicht am Telefon besprechen, sondern uns treffen könnten? Mein Kollege und ich können natürlich gerne zu Ihnen nach Stuttgart kommen, oder Sie fahren zu uns raus. Ganz, wie es Ihnen lieber ist.«
»Meine Stuttgarter Wohnung ist nicht gerade auf Besuch ausgerichtet, und meine liebsten Cafés hier in der Stadt sind im Winter nicht so der Bringer für Besprechungen. Aber ich würde sehr gerne zu Ihnen an diesen See kommen. Ebnisee sagten Sie? Muss ich mir gleich mal online ansehen. Und dort stehen Zelte, in denen dieser Xmucane seine Jünger unterbringen will?«
»Er nennt sich Xumucane, aber sonst stimmt alles. Und zwischen den Zelten ist auch der Mord geschehen.«
»Okay, Xmucane oder Xumucane – zulässig sind beide Schreibweisen. Aber das würde ich mir wirklich gern mal ansehen, vielleicht fahre ich dann später noch einmal hin, wenn die anderen eingetroffen sind und sich auf den einundzwanzigsten Dezember vorbereiten. Eine solche Gelegenheit kommt ja hier in der Gegend wohl so schnell nicht wieder.«
Er lachte. Ernst fand den Ethnologen sehr sympathisch, und er klang noch etwas jünger als die 34 Jahre, mit denen ihn die Verlagshomepage auswies.
»Wann würde es Ihnen denn passen?«
»Irgendwas ab mittags, und gegen siebzehn Uhr sollte ich wieder in meiner Wohnung sein. Am besten mailen Sie mir kurz Ihre Kontaktdaten.« Er gab seine griffige Mailadresse durch. »Dann schau ich mir kurz die Strecke zu Ihnen raus an und maile Ihnen, wann es für mich am besten wäre. Okay?«
Damit hatte Fridolin Haab auch schon aufgelegt. Die Antwort auf Ernsts Mail kam nach zwei Minuten, und Ernst bestätigte direkt danach das Treffen am Ebnisee: Haab würde Schneider und Ernst am Samstag gegen dreizehn Uhr auf dem Parkplatz treffen, mit ihnen das Zeltlager von Meier/Xumucane und seinen Leuten besichtigen und ihnen bei dieser Gelegenheit eine Schnellbleiche in Maya-Mythologie verpassen.
Schneider hatte noch etwas Zeit, und der Song, der gerade aus den Lautsprecherboxen dröhnte, entspannte ihn zusätzlich. Alexander Maigerle hatte ihm eine CD in die Hand gedrückt, auf der mit rotem Filzstift »Midnight Men 2012« gekritzelt war. Der Kollege war vor kurzem mit seiner Band in einem Studio gewesen und hatte einige
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