Endlich Endzeit - ein Baden-Württemberg-Krimi
Coverversionen, aber auch eigene Songs aufgenommen. Der Bluesrock »Gisela«, den Maigerles Musiker immer als Zugabe spielten, durfte natürlich nicht fehlen, und eine fröhlich geschmetterte Rockhymne auf eine »Unsinkable Molly« oder so ähnlich machte gute Laune. Aber mehr noch behagte ihm eine sehr zurückgelehnte Nummer, die langsamen Soul und kratzigen Rhythm&Blues verband. Die Titel der eingespielten Stücke waren nirgendwo verzeichnet, also merkte sich Schneider von der schönen Ballade fürs Erste einige Textpassagen, die Maigerle mit angenehm rauer Stimme zum langsam federnden Rhythmus sang. »Tune low your thoughts and come to me«, hieß es da. Schneider nahm lächelnd den Fuß vom Gas und ließ seinen Porsche gemächlich vom Kappelbergtunnel hinunter in den Stuttgarter Kessel rollen.
Ein älterer Opel dröhnte auf der Überholspur an Schneiders Sportwagen heran und bremste direkt neben ihm stark ab. Zwei junge Männer auf den vorderen Sitzen stießen sich an und deuteten lachend auf den dahinschleichenden Porsche. Der Beifahrer kurbelte das Seitenfenster herunter, rief gröhlend etwas zu Schneider herüber, aber der hatte keine Lust, sich im Dezemberwind zu erkälten, nur um irgendwelche Frechheiten besser verstehen zu können.
Nun machte der Beifahrer noch ein paar obszöne Gesten, und der Fahrer trat das Gaspedal durch, sodass der Opel einen kleinen Satz nach vorne machte und eine gewaltige schwarzgraue Abgaswolke hinter sich ließ. Schneider überlegte sich gerade, ob er den beiden nachfahren und sie wegen ihrer dämlichen Vollgaseinlage zur Rede stellen sollte – da gab die sich auflösende Abgaswolke den Blick auf einen Streifenwagen frei, der sich unbemerkt von den beiden Männern hinter dem alten Opel auf der linken Spur eingefädelt hatte und nun die Verfolgung des Wagens aufnahm.
Maigerles Band wiederholte nun den Refrain des langsamen Stückes ein paar Mal, und Schneider sang noch grinsend lauthals mit, als er schon in Höhe des Fußballstadions auf die B10 einbog.
»Na, so gut drauf heute?«
Schneiders gute Laune fiel sogar Krüger auf, dem unverwüstlichen Sektionsgehilfen im Robert-Bosch-Krankenhaus, der im Innenhof des Krankenhauses auf der Rampe stand und den Kommissar mit einem breiten Grinsen begrüßte. Diesmal stand sein Kollege Spike neben ihm, den alle immer nur mit dem Vornamen anredeten. Die beiden waren ein kurioses Paar: Krüger blass und dünn, Spike groß und kräftig und mit milchkaffeebrauner Haut.
»Kollege Maigerle hat mir die neue CD seiner Band mitgegeben, sind tolle Songs drauf. Da hat schlechte Laune keine Chance.«
»Ach, Ihr Kollege macht auch Musik?«, sagte Krüger. »Wir haben ab und zu einen Bestatter hier, der auch Hobbymusiker ist. Gottfried Froelich, soll sehr gut sein als Pianist, aber spielen gehört habe ich ihn noch nicht.«
»Witzig, Herr Krüger, dass Sie das erwähnen. Maigerle und Froelich kennen sich nämlich, und ich habe ihn auch schon getroffen, während eines Konzerts von Maigerles Band. Der ist etwas … äh … vollschlank, oder?«
Krüger lachte und beschrieb mit den Händen einen imposanten Kreis um seine magere Hüfte. Spike stand still daneben und grinste.
»Ist denn Frau Dr. Wilde schon drin?«, fragte Schneider.
Krüger nickte nur, zog einen Kaugummi aus der Tasche, pfriemelte das Papier ab und steckte sich den Streifen in den Mund.
»Ach, jetzt fällt mir erst auf, dass Sie heute gar nicht rauchen – ist was?«
»Na ja«, sagte Spike, »seine bessere Hälfte hat’s ihm verboten.«
»Genau, jetzt versuch ich’s halt damit.«
Krüger hielt das Kaugummipapierchen hoch.
»Viel Erfolg, Herr Krüger. Kommen Sie gleich mit?«
»Nein, ich will nur noch kurz zu Ende …«
Er unterbrach sich, dann grinste er und ging mit Schneider ins Gebäude hinein. Spike blieb draußen und lachte.
»Quatsch, Kaugummi kauen darf man drin ja. Sehen Sie? Ich hab das Rauchen noch nicht ganz aus dem Kopf.«
Munter plaudernd erreichten Krüger und Schneider den Sektionssaal. Sie zogen sich die Schuhschoner aus blauem Plastik über und gingen zu den Rechtsmedizinern, die sich an dem Toten vom Maya-Zeltlager zu schaffen machten.
»Guten Tag, Frau Dr. Wilde«, sagte Schneider und nickte der Ärztin kurz zu. Sie nickte zurück, hatte aber keine Hand frei für eine ausführlichere Begrüßung. Sie war gerade mit dem Unterkörper des Leichnams beschäftigt, und Schneider wahrte etwas Distanz, um nicht gleich zu Beginn allzu genaue Einsichten zu
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