Endlich Endzeit - ein Baden-Württemberg-Krimi
bekommen. Außerdem hatte er schon erlebt, dass Rechtsmediziner ungehalten reagierten, wenn er als Beobachter zu nah an den Tisch mit dem Toten trat und so womöglich die Untersuchung störte.
Schneider ließ den Raum und seine Einrichtung auf sich wirken. Er mochte Obduktionen nicht, aber immerhin blieben ihm derbe Witze oder zotige Anspielungen bei solchen Gelegenheiten erspart – in seinem Berufsalltag hatte er nicht mit Rechtsmedizinern zu tun, die so flapsig oder makaber zu Werke gingen wie die, die in bestimmten »Tatort«-Folgen aufzutauchen pflegten.
Eine Seite des Raumes wurde von Milchglasscheiben eingenommen, die viel Licht hereinließen, aber die Toten vor Blicken von außerhalb schützten. Darunter stand ein etwa hüfthohes, metallisch glänzendes Regal, das ebenfalls fast die ganze Länge der Wand einnahm. An der gegenüberliegenden Wand hing ein sehr großes Waschbecken aus Metall.
Die Sektionstische selbst waren ebenfalls aus Metall, mit einer polierten Platte als Leichenauflage in der Mitte, drum herum sorgten kleine Löcher in der Oberfläche dafür, dass alle austretenden Flüssigkeiten abfließen konnten.
Der Geruch war erstaunlich dezent. Nach jeder Obduktion wurde gründlich ausgewischt, mit Putzmitteln, die nicht parfümiert waren, und während der Untersuchungen verhinderte eine leistungsfähige Lüftungsanlage den ärgsten Gestank. Trotzdem hing ein Hauch von Aschearoma in der Luft, unter das sich eine Spur Männerschweiß mischte und eine weitere Note, über deren Herkunft Schneider gar nicht nachdenken wollte.
Der Leichnam lag nackt auf dem Rücken. Die Kopfhaut war aufgeschnitten, die verbliebenen, mit den Resten einer Mütze verklebten Haare waren teils mit der Haut zur Seite geklappt. Einer der Mediziner präparierte gerade das Gehirn in einem weißen Plastikeimer, der stark an die Eimerchen erinnerte, in denen man Naturjoghurt in Familienportionen kaufen konnte. Der Dritte in der Runde war Dr. Ludwig Thomann, der diesmal seiner Kollegin assistierte, so wie sie es in anderen Fällen für ihn getan hatte. Thomann und Wilde trugen grüne OP-Kleidung, der Präparator hatte sich einen weißen Kittel über seine Straßenkleidung gezogen.
Der Brust- und Bauchraum des Toten war geöffnet, erste Überreste der Organe waren schon entfernt und in Schraubgläsern in einer klaren Flüssigkeit eingelegt. Die Jeans, die Unterhosen und die Schuhe des Mannes lagen, in Plastiksäcken verpackt, auf dem zweiten Sektionstisch im Raum.
»Soll ich die Kleider für meinen Kollegen Rau mitnehmen?«, fragte Schneider.
Zora Wilde kümmerte sich nicht weiter um die Frage, beugte sich tiefer über den Unterkörper der Leiche und blieb konzentriert bei der Arbeit. Was genau sie machte, konnte Schneider von seinem Platz aus nicht erkennen. Thomann aber sah auf und folgte Schneiders Blick.
»Nein, das können Sie hierlassen. Rau selbst schafft es heute wohl nicht mehr ins Bosch, er hat vorhin angerufen. Aber er schickt zwei seiner Mitarbeiter, die wollen den Leichnam auch noch einmal auf mögliche Spuren untersuchen und sich mit Kollegin Wilde besprechen.«
»Wann kommen die beiden denn? Ich muss nachher gleich wieder los, aber ich wüsste schon ganz gern, was unsere Kollegen miteinander ausbrüten.«
»Das kann ich Ihnen auch gleich jetzt sagen«, meldete sich Zora Wilde zu Wort. »Zumindest soweit es meine Ergebnisse und Schlussfolgerungen betrifft.«
Sie stand weiterhin tief über den Unterkörper des Toten gebeugt. Thomann winkte Schneider an den Tisch. Zora richtete sich auf, nahm eine Probe aus dem Gewebe und ließ sich von Thomann eine kleine Glasschale reichen, in die sie die Probe legte. Schneider sah kurz nach unten, wandte den Blick aber gleich wieder ab. Die Rechtsmedizinerin hatte offensichtlich eingehend untersucht, ob wirklich jemand vor dem Mordopfer gekniet hatte.
»Kollege Ernst wollte nicht mitkommen?«
Zoras spöttischer Tonfall gab dem skurrilen Bild eine noch seltsamere Note, aber Schneider sah sie nur genervt an.
»Nein, aber das sollten Sie beide bitte untereinander ausmachen. Ginge das?«
Thomann sah gespannt zwischen den beiden hin und her, der Präparator, der von dem kurzen Gespräch nur den etwas scharfen Tonfall von Schneiders Antwort mitbekommen hatte, sah fragend zum Sektionstisch herüber. Zora schluckte, ihr Lächeln gefror, dann räusperte sie sich.
»Sie haben Recht, Herr Schneider, tut mir leid. Das war nicht sehr professionell von mir.«
»Vergessen Sie’s«,
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