Endlich Endzeit - ein Baden-Württemberg-Krimi
Sprache so viel wie ›Ich, Xumucanes Sohn‹.«
»Ach so«, brummte Schneider. Allmählich hatte er die Faxen dicke mit diesem Maya-Darsteller. »Und das halten Sie für bescheidener? Ich nehme an, ›Sohn‹ ist nicht wörtlich gemeint, sondern Sie fühlen sich als eine Art spätgeborener Tageshüter.«
Meier schnaubte.
»Jetzt kommen Sie bitte mal auf den Punkt, Herr Meier. Ihr ganzes Maya-Gedöns interessiert mich nicht allzu sehr. Wir haben es hier mit einer Leiche zu tun, wir befinden uns in Deutschland, und Sie sind des Mordes verdächtig. Das sollte Ihnen langsam klar werden – können wir diesen ganzen Firlefanz nicht einfach mal weglassen?«
»Xumucane soll gemordet haben?«
Entrüstet setzte er sich stocksteif hin und verschränkte die mageren Arme vor der Brust wie ein trotziges Kind.
»Wie kommen Sie denn auf so etwas?«
»Alles deutet darauf hin.«
»Was zum Beispiel?«
Schneider beachtete seine Frage gar nicht.
»Was haben Sie dort draußen getrieben? Warum stehen dort Zelte? Wer war außer Ihnen noch dort draußen gestern Nacht?«
»Wer sagt, dass ich gestern Nacht …?«
»Lassen Sie diese Spielchen, Herr Meier. Sie waren bei den Zelten, da müssen wir gar nicht darüber reden. Aber was haben Sie da gemacht?«
Meier schloss die Augen, er schien sich zu sammeln.
»Herr Meier?«
»Xumucane bereitet alles für die Gläubigen vor«, sagte er mit bemüht ruhiger Stimme und fixierte nun wieder wie vorhin den Punkt an der Wand.
»Meinetwegen. Und wer sind diese … Gläubigen? Die Namen wollten Sie mir noch nennen – es wäre mir recht, wenn Sie sich gleich nachher an die Liste setzen.«
»Das ist eine Gruppe von Menschen, die sich mir angeschlossen haben, denen ich Wege zur Erleuchtung weisen möchte und die mit mir auf den großen Tag hinleben wollen.«
»In diesen Zelten?«
Meier nickte.
»Mitten im Winter?«
»Den Zeitpunkt haben nicht wir gewählt, sondern die Ahnen.«
»Sie meinen wirklich, vor langer Zeit haben sich ein paar Götter in Mittelamerika hingesetzt und haben sich vorgestellt, dass Sie und Ihre Leute mitten im Dezember 2012 am Ebnisee zelten?«
Maigerle kicherte leise, Ernst grinste. Meier sah weiterhin stur geradeaus, aber sein Blick blitzte wie vor aufkeimender Wut.
»Sie warten hier also auf den Weltuntergang?«
Keine Antwort.
»Das haben Sie uns jedenfalls heute morgen draußen auf der Wiese erzählt. Gibt es irgendeine Überlieferung, dass die Wiesen um den Ebnisee vom Untergang verschont werden und – was weiß ich? – zusammen mit Kaisersbach, Welzheim und Gschwend irgendwie die drohende Katastrophe überstehen?«
Meier schwieg, aber er sah aus, als würde er gleich platzen.
»Oder kommen die Berglen auch noch davon? Winnenden? Backnang? Schwäbisch Hall? Das würde die Menschen dort sicher interessieren.«
»Spotten Sie ruhig! Xumucane und die Gläubigen werden nicht verschont, aber wir werden vorbereitet sein!«
Meier hatte die Sätze fast geschrien, nun atmete er schwer, beruhigte sich mühsam wieder und versuchte die kümmerlichen Reste seiner anfangs stoischen Miene zu wahren.
»Wir treffen uns hier, um uns vorzubereiten. Aber das können Sie natürlich nicht verstehen. Es geht nicht darum, dem Untergang zu entgehen, sondern für ihn gewappnet zu sein.«
»Und zwischendurch gönnen Sie sich ein Bierchen im Schwobastüble?«
Die Frage des bis dahin nur schweigend zuhörenden Ernst kam so überraschend, dass Meier unwillkürlich zu ihm herumfuhr und ihn erschrocken ansah.
»Dass dort Maya-Riten abgehalten werden, wäre mir neu – aber einen guten Rostbraten und ein frisch gezapftes Bier gab es dort schon immer.«
»Auch Xumucane muss essen und trinken. Außerdem haben wir mit der Wirtin besprochen, wie die Gläubigen verpflegt werden – sie treffen ab Sonntag ein, dann sollen sie im Zeltlager meditieren und ihr Bewusstsein schärfen, aber das Frühstück und den Mittagstisch wollen wir im Lokal einnehmen. Manche werden auch im Schwobastüble ein Zimmer bekommen, die anderen schlafen in den Zelten.«
»Ach«, machte Schneider, »dann wird das so eine Art Weltende all inclusive?«
Meier schüttelte unwillig den Kopf.
»Sie nehmen das nicht ernst, oder?«
»Nein, sollte ich?«
»Am einundzwanzigsten Dezember diesen Jahres wird in der Langen Zählung des Maya-Kalenders zum ersten Mal seit mehr als fünftausend Jahren wieder der Ausgangstag des dreizehnten Baktun-Zyklus erreicht. Und so, wie dieser Tag nach Überzeugung der Maya damals der
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