Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Endlich gefunden

Titel: Endlich gefunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Katherine Green
Vom Netzwerk:
Vorhaben auf. Noch einen Blick warf er zu dem unheimlichen Hause hinüber, dann wandte er sein Pferd, und zu meiner unbeschreiblichen Verwunderung sah ich ihn mit düsterer Miene und umwölkter Stirne auf der Straße nach Melville zurückreiten.

    Also dies alte verfallene Wirtshaus war wirklich das Ziel seiner langen Reise gewesen. Schien das nicht seltsam? – Rasch trat ich aus meinem Versteck hervor und machte nun auch meinerseits die Runde um das Gebäude, in der Hoffnung, irgendein Schlupfloch zu entdecken, das ihm vielleicht entgangen war. Allein Türen und Fenster waren fest verschlossen und verriegelt. Schon wollte ich, seinem Beispiel folgend, gleichfalls den Ort verlassen, als ich auf dem Kreuzweg zwei Kinder daherkommen sah, die lustig ihre Schulbücher schwenkten. Sobald sie meiner ansichtig wurden, hielten sie zögernd still und drängten sich dicht aneinander. Ich trat zu ihnen, redete sie freundlich an und fragte, nach demHaus hinter mir deutend, wer dort wohne. Ihre ängstlichen Gesichter wurden blaß.
    Wissen Sie das nicht? rief der Knabe. Da wohnen ja die beiden Bösewichter, die das Geld aus der Rutland-Bank gestohlen haben. Man hat sie ins Gefängnis geworfen, aber sie sind entflohen, und –
    Hier zog ihn das kleine Mädchen so schreckensbleich am Aermel, daß er selbst, von Furcht ergriffen, mich nur noch einmal mit großen Augen anstarrte, dann seine Gefährtin bei der Hand nahm und mit ihr das Weite suchte. Ich aber stand vor Staunen wie angewurzelt da. Sollte dies verödete, schweigsame Haus der Wohnort der berüchtigten Schönmakers gewesen sein, zu deren Verfolgung man die Hälfte aller Detektivs im ganzen Lande aufgeboten hatte? Ich traute meinen Ohren kaum, obgleich ich mich erinnerte, daß sie aus dieser Gegend stammten.
    Als ich das Gebäude jetzt abermals betrachtete, schien es plötzlich verwandelt. Wie eine Verbrecherhöhle kam es mir vor; schaurig ächzte und stöhnte die alte Tanne im Winde. Welche finstern Geheimnisse mochten hinter den festverschlossenen Türen und Fenstern lauern! Auf einer der Türen war ein großes Kreuz mit roter Kreide gezeichnet, und derdunkle Fleck auf der abgetretenen Steinschwelle sah wie Blut aus.
    Auf einmal fuhr mir wie ein Blitz der Gedanke durch den Kopf: Was hatte Blake, der reiche Abkömmling einer der ältesten Neuyorker Familien, an diesem Ort des Verbrechens zu suchen? War er viele Meilen weit gereist, um dieses Räubernest aufzusuchen, den Schlupfwinkel der verhärteten Schurken, deren Name seit zwei Jahren für verfehmt galt und auf die, sobald man sie fing, Kerker und Galgen warteten? Ich fand keine Lösung des Rätsels – ein Klügerer als ich mußte die Frage entscheiden.
    Aber doppelt groß ward nun mein Verlangen, mir Eingang in das verlassene Haus zu verschaffen, seitdem ich wußte, wessen Eigentum es gewesen war. Ich hatte schon meinen Plan entworfen, und der Augenblick war für die Ausführung höchst günstig. Weit und breit ließ sich kein menschliches Wesen blicken, das mich bei dem gewagten Unternehmen hätte stören können. Rasch warf ich den Rock ab und machte mich mit Aufbietung aller meiner Geschicklichkeit daran, den alten Baum zu erklettern, der seine Zweige bis dicht an das Haus streckte. Als ich glücklich zur Höhe des offenen Dachfensters gelangt war, das ich von unten zwischen den Tannenhatte blinken sehen, wartete ich einen Augenblick, um Atem zu schöpfen, dann tat ich einen kühnen Sprung und erreichte mein Ziel.
    Ich war auf den Fußboden eines großen, kahlen Gemachs gelandet, gerade wo ein Haufen zerbrochener Glasscheiben lag. Meine Schritte klangen schauerlich durch den öden Raum; von Grauen erfaßt, schwankte ich einen Moment, ob ich meine Forschungen fortsetzen oder auf der Stelle umkehren solle. Aber, wenn es mir auch verhältnismäßig leicht geworden war, hier einzudringen, so ließ sich doch die Rückkehr auf demselben Wege weit schwerer bewerkstelligen. Wollte ich mir Leben und gesunde Glieder erhalten, so mußte ich nach einem andern Ausweg suchen.
    In der Dachkammer war nicht viel zu sehen: ein paar alte Stühle in einer Ecke, ein rostiger Ofen, ein Haufen abgenützter Kleidungsstücke – mehr enthielt sie nicht. Auf einer schmalen Leiter, die durch ein Loch im Boden hervorragte, stieg ich hinab in den schwarzen Abgrund, der sich unter mir auftat. Ich gelangte in einen dunklen Gang, dessen eines Ende auf die Treppe mündete; am andern befand sich eine Türe, durch welche ich in ein großes

Weitere Kostenlose Bücher