Endlich gefunden
viereckiges Zimmer trat. Hier stand ein mächtiges Himmelbett mit zurückgezogenen Vorhängen;das kahle Gestell, ohne Matratze und Kissen, starrte mir unheimlich entgegen; ein Tisch, ein Schrank und ein Armstuhl vollendeten die Möblierung des Raumes. In der Kammer daneben fand ich nichts Bemerkenswertes; auch die vordern Zimmer waren höchst dürftig ausgestattet. Nur ein kleines Gemach schien vor noch nicht langer Zeit bewohnt worden zu sein. Auf dem Bett waren Kissen und Decken unordentlich umhergeworfen, es mochte wohl einem Mann zur Lagerstatt gedient haben, und das Fenster war mit einem großen Shawl und schweren Mänteln verhängt. Unwillkürlich fuhr ich mit der Hand in die Brusttasche nach meiner Pistole, als erwarte ich, das wilde Gesicht eines der gefürchteten Schönmakers aus einem düstern Winkel auftauchen zu sehen. Als ich mit raschem Griff die Fensterverhüllung herunterließ, bemerkte ich, daß sich darunter alte zerfetzte und verblichene Vorhänge befanden, die mit farbigen Bändern zusammengebunden, früher dem Ganzen wohl einen freundlichen Anstrich verliehen hatten.
Auch sonst trug das Zimmer mancherlei Spuren ehemaligen Schmuckes, welche bewiesen, daß seine Bewohner nicht bloß für die Notdurft des Lebens gesorgt hatten. Farbige Bilder hingen an den mit groben Tapeten bekleideten Wänden, zwar nur Ausschnitteaus illustrierten Blättern, aber doch mit einem gewissen Geschmack zusammengestellt.
Ein Lichtstümpchen und ein Zeitungsblatt lagen am Boden. Ich hob letzteres auf; es war der Rutlander Anzeiger vom vorletzten Tage . Als ich das Datum las, ward mir klar, was ich getan hatte. Wenn jene verwegenen Räuber sich nicht noch im Hause befanden, so waren sie doch vor zwei oder drei Tagen hier gewesen. Jetzt begriff ich, was die zerbrochene Scheibe im Dachfenster zu bedeuten hatte, und daß ich nicht der erste sei, der am Stamm der hohen Tanne hinaufgeklettert war.
Mir schauderte bei dem Gedanken an die Gefahr, in der ich schwebte. Wenn ich jenen ebenso schlauen wie tollkühnen Menschen in die Hände fiel, so gewährte mir meine Pistole wenig Schutz. Ich war gefangen wie ein Fuchs in der Höhle, in jedem Winkel konnte das Verderben auf mich lauern. Leise schlich ich nach der vordern Treppe hin und lauschte. Alles blieb totenstill; nur die Tannenzweige rauschten, und der Wind heulte im Schornstein. Die Waffe in der Hand, stieg ich in das Erdgeschoß hinab; ich horchte gespannt, aber kein Geräusch ließ sich vernehmen, ich war das einzige lebendige Wesen in dieser Grabesstille. Nun ging ich nach der Küche, wo ich versuchte, ein Fensterauszuheben. Es gelang mir von innen ohne Schwierigkeit, und zum erstenmal atmete ich erleichtert auf; dann untersuchte ich den Herd.
Wie ich vermutet hatte, fand ich dort einen Haufen halbverkohlter Kleider, ein Zeichen, daß die Verbrecher ihren Straflingsanzug verbrannt hatten. Ich suchte weiter und zog aus der Asche einen Ring hervor, welcher der Zerstörung entgangen war und den ich hocherfreut in die Tasche steckte, überzeugt, daß er mir eines Tages als Beweisstück dienen werde.
Als ich dort weiter nichts entdecken konnte, fragte ich mich, ob ich wohl den Mut haben würde, in den Keller hinabzusteigen. Bei genauer Ueberlegung schien mir jedoch, daß das einem Mann in meiner Lage nicht zuzumuten sei. Ich warf noch einen Blick auf die feuchten, düstern Wände und sprang mit erleichtertem Herzen durch das Küchenfenster in das helle Tageslicht hinaus. Als ich dies tat, hätte ich darauf schwören mögen, daß sich drinnen im Hause eine Türe in den Angeln drehte und leise schloß. Schaudernd erkannte ich, daß das Geräusch aus dem Keller gekommen sein müsse.
Unter mannigfachen Gedanken trat ich den Rückweg nach Melville an. Besonders beschäftigte mich die erfreuliche Tatsache, daß ich bei der Erforschungder einen geheimnisvollen Angelegenheit zufällig, wie das so häufig geschieht, einer andern , weit wichtigeren auf die Spur gekommen war und eine Entdeckung gemacht hatte, die mir noch großen Nutzen bringen konnte. Auf die Wiedereinbringung der beiden Schönmakers war eine hohe Belohnung gesetzt und nach den Erlebnissen des heutigen Tages hoffte ich mit Zuversicht, den Behörden behilflich sein zu können, ihre Fährte aufzuspüren. Jedenfalls beschloß ich, den Inspektor ungesäumt von allem, was ich in dem frühern Schlupfwinkel der entflohenen Verbrecher gehört und gesehen hatte, in Kenntnis zu setzen.
Im Wirtshaus zu Melville erfuhr ich,
Weitere Kostenlose Bücher