Endlich gefunden
Frau würde mir meine junge Schutzbefohlene sein! Ich wäre so wenig wie möglich gebunden; sie würde nichts verlangen, und ich brauchte ihr nichts zu gewähren, als eine Heimat und die gewöhnlichste höfliche Rücksicht. Die Hauptsache aber war, daß ihre Erscheinung mich in keiner Weise an die der stolzen, vornehmen Dame erinnerte, deren leisester Wink für mich ein Befehl gewesen war. Eine anmutige, bescheidene, gehorsame Gattin würde ichan ihr haben, um derentwillen ich mir keinerlei Zwang aufzulegen brauchte.
Nachdem ich dies alles wohl bedacht, beschloß ich Luttra aufzusuchen. Ich hatte sie nicht wiedergesehen, seit wir uns an jenem Morgen vor der Türe der kleinen Hütte in Vermont Lebewohl gesagt, um so mehr war ich von ihrem Aussehen überrascht. War dies schlanke, hochgewachsene Mädchen mit dem Kranz goldig schimmernden Haares und dem Antlitz, das man unwillkürlich mit Ehrfurcht betrachtete, die Flüchtige, Heimatlose? – Ein fast zorniges Gefühl überkam mich; mir war, als sei ich getäuscht und betrogen worden – statt der Rebe, die ich gepflanzt hatte, sah ich eine hohe Palme vor mir. Ich war so verwirrt, daß meine Begrüßung nicht ganz so gütig und herablassend ausfiel, als ich beabsichtigt hatte. Sie schien meine Verlegenheit zu bemerken, und ein flüchtiges Lächeln zuckte um ihren Mund. Dies holde, freundliche Lächeln bestimmte meinen Entschluß.
Wie es mir gelang, sie zu bewegen, mich nach Ablauf von zehn Tagen zu heiraten, ist mir selbst ein Rätsel. Weder Rang noch Reichtum hat sie bestochen, denn erkaufen wollte ich das Mädchen nicht, und dies ist vielleicht das einzige, was meiner damaligen Handlungsweise einigermaßen zur Entschuldigungdient. Ich versprach ihr keine goldenen Berge in der Zukunft, malte ihr auch nicht die Vorzüge aus, welche mir meine Stellung bot, und dennoch gewann ich sie.
Wir wurden in einer Kirche von Troy in aller Stille getraut. Warum die Welt nie etwas davon erfahren hat, weiß ich nicht; jedenfalls gab ich mir damals keine besondere Mühe, unsere Verbindung geheimzuhalten. Später, nachdem wir uns getrennt hatten, ergriff ich freilich alle Maßregeln, die mir zu Gebote standen, damit von der bittern Kränkung, welche mein Stolz erfahren hatte, nichts in die Öffentlichkeit gelangte.
Nach der Hochzeit reisten wir sogleich nach Neuyork, doch hatte ich von meinen Absichten nichts vorher verlauten lassen, was bei meinem damaligen Gemütszustande vielleicht verzeihlich war. Wir kamen ganz überraschend an, nichts war zu unserem Empfang vorbereitet; wie Fremde traten wir über die Schwelle des Hauses und begaben uns sogleich nach meines Vaters Zimmer.
Wir können kein Hochzeitsfest und keine Flitterwochen feiern, hatte ich ihr gesagt. Mein Vater liegt im Sterben und bedarf meiner Pflege. Ich muß dich vom Altar gleich an ein Totenbett führen, das ist traurig für dich, aber unvermeidlich. Und siefügte sich in ihr Schicksal mit einem innigen, unbeschreiblichen Lächeln, das ich erst nach langen, einsamen und leidensvollen Monaten verstehen lernte.
Vater, hier bringe ich dir meine junge Frau, das waren meine ersten Worte, als sich die Türe hinter uns schloß.
Nie werde ich vergessen, wie er sich im Bette aufrichtete und mit begierigen Blicken ihr jugendliches Antlitz und ihre hohe Gestalt betrachtete, die sich zu dem Kranken niederbeugte. Noch sehe ich es deutlich vor mir, wie er ihr freudig bewegt die Arme entgegenstreckte, und sie sich liebevoll an seine Brust schmiegte. Mich hatte er niemals, selbst nicht in meiner frühesten Kindheit, so innig ans Herz gedrückt. Denn mein Vater war stets ein strenger Mann gewesen, der jede Liebkosung von sich wies und den Grad der Zuneigung nur nach der Ehrerbietung maß, mit welcher man ihm begegnete.
Meine Tochter! rief er. Wer sie sei, und woher sie komme, darnach fragte er nicht, auch dann nicht, als sie sich nach kurzem Schweigen aufrichtete, ihm beglückt ins Auge sah und wehmütig flüsterte:
Ich habe noch nie einen Vater besessen.
Der Auftritt rührte mich nicht, er verhärtete mein Gefühl. Hätte er Enttäuschung über meineWahl geäußert, sie mißbilligt oder sich einfach über meinen Gehorsam gefreut, so würde ich mich vielleicht in mein Geschick ergeben haben; aber daß er glücklich über sie war, sie liebte und bewunderte, während er sich über Eveline Blake nie anders als mit Mißfallengeäußert hatte, war mehr, als ich ertragen konnte. Mein ganzes Inneres lehnte sich dagegen auf, und eine
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