Endlich gefunden
sah. Wohin sie gegangen, wo sie Zuflucht gefunden, habe ich nie erfahren. Meinen Vater hatte der Auftritt so sehr erschüttert, daßseine Kräfte rasch abnahmen. Während ich mit seiner Pflege beschäftigt war, bemerkte ich nur zu wohl, wie sehnsüchtig er oft den Blick nach der Türe wandte und mich dann wieder fragend anschaute. Schon damals stieg in mir der Gedanke auf, daß ich die Ruhe und das Glück meines Lebens vielleicht auf immer zerstört hatte. Erst nach meines Vaters Tode aber trat mir das Bild des schönen, jungen, verzweifelnden Geschöpfes, dem ich meinen Namen gegeben, wieder mit furchtbarer Deutlichkeit vor die Seele. Eine düstere Schwermut bemächtigte sich meiner; ich wußte nicht, rührte sie aus einem Gefühl der Scham her, beim Rückblick auf die Vergangenheit, oder war das rätselhafte Verschwinden meiner Frau, die ich doch nicht geliebt hatte, die Ursache meiner Trauer.
Mein Zustand verschlimmerte sich noch, als bald darauf die Verlobung meiner Cousine mit dem Grafen de Mirac veröffentlicht wurde. Meine leidenschaftliche Liebe zu ihr hatte mich niemals dagegen blind gemacht, daß sie Rang und Reichtum als erste Lebensbedingung ansah; ich hatte auch durch meine stillschweigende Entsagung und die Heirat mit einer andern jedes Recht verloren, mich über ihre Handlungsweise zu beklagen, dennoch war jene Nachricht ein furchtbarer Schlag für meinen Stolz. Daßsie imstande war, für Glanz und Schimmer alles hinzugeben, was einer Frau das höchste Gut auf Erden sein sollte, erschütterte meinen Glauben an die echte Weiblichkeit ihrer Natur. Hatte sie auch im Grunde nichts anderes getan als ich selbst, so diente ihr das in meinen Augen nicht zur Entschuldigung. Sie als edles Weib durfte dem Mammon das Opfer nicht bringen, sie hatte der Versuchung widerstehen müssen, welcher ich, der Mann voll Schwachheit und Mängel, unterlegen war.
Ich zog mich mehr und mehr von der Gesellschaft zurück; aber während die andern Gesichter und Gestalten aus meiner Erinnerung schwanden, begann jetzt Luttras Bild, wie ich sie zuletzt gesehen, mich bei Tag und Nacht zu beschäftigen. Das erhöhte nur meine Qual. Ich sehnte mich danach, meine Heirat zu vergessen, die mir vor der Welt nur Schmach und Schande bereiten konnte; die Missetaten ihres Vaters und Bruders waren soeben ans Licht gekommen, und mein Weib war die Tochter eines überführten Verbrechers.
Aber sie kam mir nicht aus dem Sinn. Ihr Abschiedsblick brannte in meiner Seele, er verfolgte mich wachend und schlafend, bis ich zuletzt beschloß, ihr Bild auf der Leinwand festzuhalten, um es aus meinen Träumen zu verbannen.
So entstand das Gemälde, welches Sie heute abend gesehen haben. Bei meiner natürlichen Begabung für die Kunst, die mir unter andern Umstanden vielleicht hohen Ruhm eingebracht hätte, bot die Arbeit meiner geübten Hand nur geringe Schwierigkeiten. Tag für Tag wuchs die Aehnlichkeit unter meinem Pinsel, ihre Schönheit nahm einen immer geistigeren Ausdruck an, der mich selbst in Erstaunen setzte, und ich widmete mich meinem Werke mit wahrem Feuereifer. Immer tiefer schien der Blick der zärtlichen Augen in mein Inneres zu dringen, und oft stand ich mitten in der Nacht auf, um die Fülle des goldenen Haares zu betrachten, das ihre Stirn umflutete.
Endlich war das Bild vollendet, und ich glaubte, sie lebendig vor mir zu sehen, wie in jenem unvergeßlichen letzten Augenblick, in derselben Kleidung, sogar die Rose in der Hand, mit welcher ich am Hochzeitsmorgen meine Braut geschmückt hatte. Nichts fehlte, um dem Bilde Wirklichkeit zu verleihen, und ich dachte nun Ruhe zu finden. Allein diese Hoffnung erwies sich als trügerisch.
Ich hatte das Gemälde hinter Evelinens Bildnis angebracht, das seit zwei Jahren über meinem Lehnstuhl hing. Am Morgen drehte ich es nach der Wand, aber die Nacht hindurch sah es auf michnieder, und oft vertiefte ich mich stundenlang sinnend in den Anblick. Keine Kunde kam zu mir über Luttras Geschick, ich hätte ihr nicht beistehen können, selbst wenn Not und Mangel sie bedrängten. Wäre auch die Liebe zu ihr in meinem Herzen erwacht, ich würde nicht gewußt haben, wo ich sie suchen sollte, und ob nicht das schöne, junge Geschöpf längst im Grabe ruhte.
Aus meinem dumpfen Grübeln schreckte mich die Nachricht, daß meine Cousine ihren Gatten nur wenige Monate nach der Hochzeit durch den Tod verloren habe und nach Amerika zurückgekehrt sei. Ich glaubte, nun würden meine Pulse wieder rasch schlagen
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