Endlich gefunden
mischte sich inniger Dank gegen das heldenmütige Mädchen, das soviel für meine Rettung getan hatte. Voll Bewunderung flog mein Blick zu ihr hin, während sie ihre langen Flechten löste, sie schüttelte und an der Glut des Feuers trocknete. Wie jung sie noch war! Sie konnte kaum sechzehn Jahre zählen, aber aus ihren dunklen Augen sprach ein starker, unbeugsamer Wille.
Als ich ihr mit wenigen, herzlichen Worten für ihren Beistand dankte, sah sie mich ruhig an. Ich habe nur meine Pflicht erfüllt, aber wollen Sie sich wirklich erkenntlich zeigen, so versprechen Sie mir, nichts von dem zu verraten, was sich diese Nacht im Gasthause zugetragen hat.
Ein Verdacht, den ich schon früher gehegt hatte, kam mir jetzt wieder in den Sinn; unwillkürlich fuhr ich mit der Hand in die Brusttasche – und zog sie leer zurück. Die Banknoten waren verschwunden.
Haben Sie etwas verloren? fragte sie; wollen Sie nicht in Ihrem Ueberrock suchen?
Das tat ich, und diesmal mit besserem Erfolg, die Banknoten waren da. Nun gab ich das Versprechen, welches sie verlangte.
Es fehlt eine Banknote, ich weiß nicht, wieviel sie betrug, murmelte sie, ein Opfer mußte gebracht werden, das war unvermeidlich.
Ich kann nur die Besonnenheit und Tapferkeit bewundern, die Sie bewiesen haben, sagte ich voll Anerkennung. Sie sind ein edles Mädchen.
Das Lob schien sie fast zu verletzen. Es ist das erstemal, daß sie solchen Anschlag gemacht haben, rief sie mit Scham und Schmerz. Nach Geld sind sie schon öfters lüstern gewesen, aber noch nie haben sie ein Menschenleben bedroht. Das Ihrige war heute in großer Gefahr. Durch ein Loch in der Zimmerwand hatten die Männer gesehen, wie Sie Ihr Geld herausnahmen, und das brachte sie von Sinnen. Ihr Plan war, Sie zu berauben, und dann samt Ihrem Pferde in den Abgrund zu stürzen. Ich hatte alles gehört und konnte Sie noch rechtzeitig wecken. Die Banknoten mußte ich an mich nehmen, denn so lange sie sich In Ihrem Besitz befanden, war Ihr Leben nicht sicher. Ich hoffte, Sie retten zu können, ohne Vater und Bruder zu verraten, aber das ist mir mißlungen. Vergessen Sie Ihr Versprechen nicht.
Ich werde es halten, beteuerte ich.
Ein schmerzliches Lächeln flog über ihre Züge,die es sanft verklärte. Ich empfand die innigste Teilnahme für sie.
Ihr Los ist schwer, und Sie müssen ein trauriges Leben führen, sagte ich mitleidig.
Sie sah mich mit großen, dunklen Augen an. Ich bin für ein hartes Leben geboren, versetzte sie, aber nicht für Schandtat und Verbrechen.
Gerechter Himmel, rief ich, und Sie müßten –
Nein, klang es wie befreit aus ihrem Munde, es gibt Dinge, welche auch die Bande der Natur zerreißen. Ich kehre nie mehr in jenes Haus zurück.
Aber wohin wollen Sie gehen? fragte ich, einen Blick auf ihre dürftige Kleidung werfend. Sie sind jung –
Und sehr stark, unterbrach sie mich mit zuversichtlichem Tone; ich kann arbeiten, seien Sie meinetwegen ohne Furcht.
An jenem Abend sprachen wir nicht weiter über ihre Zukunft, aber als ich im Laufe unseres Gesprächs am andern Morgen ihr klares Urteil und ihren scharfen Verstand erkannte, fragte ich sie, ob sie wohl gern etwas Tüchtiges lernen möchte. Da strahlte ihr ganzes Gesicht und drückte die freudigste Zustimmung aus, auch ohne ihr leise gemurmeltes Ja.
Mit Freuden ergriff ich die Gelegenheit, ihr den unschätzbaren Dienst, den sie mir geleistet hatte, wenigstens einigermaßen zu vergelten, doch gelang es mir nur mit vieler Mühe, sie zu bewegen, die Kosten ihrer Erziehung als Lohn für meine Rettung von mir anzunehmen. Sie sah wohl ein, wie sehr eine gründliche Bildung ihr den Kampf mit der Welt erleichtern würde, aber ihr schien das Opfer meinerseits zu groß. Erst als ich ihr begreiflich machte, daß es mir weder Mühe noch unerschwingliche Ausgaben verursachen würde, überwand sie ihre Bedenken und weigerte sich nicht länger, auf mein Anerbieten einzugehen. Bevor ich sie in der kleinen Hütte zurückließ, machte ich mit ihr aus, daß sie sobald als möglich in eine Schule in Troy eintreten sollte, deren Vorsteherin ich kannte.
Ich war damals zwar ein leichtsinniger, junger Mensch, aber doch hielt ich dem Mädchen mein Versprechen. Nicht nur, daß ich sie auf meine Kosten drei Jahre lang die Schule besuchen ließ, ich versorgte sie auch durch die Vorsteherin, welche sie lieb gewonnen hatte, mit allem, was sie in ihrer Stellung bedurfte. Ich hatte dabei nichts zu tun, als von Zeit zu Zeit einen Wechsel auszustellen;
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