Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
eine kurze Pause. »Ich habe niemanden auf dieser Welt, der mich braucht. Wenn ich morgen tot umfiele, würde der Sender problemlos Ersatz für mich finden. Okay, mein Papierkram müsste abgewickelt werden. Mein Bruder wäre wohl gezwungen, seine Geschäftsreise zu verkürzen, um Celia unter die Erde zu bringen. Meine Pflanzen würden verdursten. Aber niemand wird eines Tages vor dem Traualtar stehen, seinen Schulabschluss feiern oder ein Neugeborenes im Arm halten und an mich denken: Ich wünschte, meine Mum wäre hier. In dieser Hinsicht bedeute ich niemandem etwas. Ihr nehmt das alle als völlig selbstverständlich hin. Ereka, wenn du sagst, ›Ich kann nicht einmal sterben‹, dann meinst du damit, dass sich das für dich sehr schwer anfühlt. Du musst da sein. Dieses Gefühl kenne ich gar nicht. Ich könnte mich einfach in Luft auflösen, und nichts würde sich dadurch ändern. Es wäre sehr leicht für mich, zu sterben. Manchmal muss ich lange überlegen, was mich eigentlich antreibt, jeden Morgen aufzustehen. Vor allem, wenn es in der Arbeit richtig schlecht läuft. Ich würde zu gern nur ein einziges Mal erleben, wie sich das anfühlt. So bedeutsam zu sein.«
Wir haben das Ende erreicht. Ich fühle es ganz deutlich in Virginias Worten. Diese Unterhaltung erinnert mich an die berüchtigte Fallschirm-Debatte, die wir alle mal mit verteilten Rollen in der Schule geführt haben: Ein Flugzeug stürzt ab, wer bekommt den letzten Fallschirm und warum? Virginia hätte gewonnen, kein Zweifel. Ironischerweise sagt sie damit jedoch, dass sie der letzte Mensch an Bord ist, der gerettet werden sollte. Geben Sie den Fallschirm bitte der Mutter.
18 Haut an Haut
E s klingelt an der Haustür.
Ich bin froh, von der Terrasse zu entkommen, wo wir uns seit dem Frühstück durch einen Dschungel an seelischer Pein kämpfen. Ich renne durchs Wohnzimmer zur Tür, obwohl Virginias Traurigkeit mir noch schwer in den Fersen steckt.
Als ich öffne, steht da … Gary, nehme ich an, denn der Mann trägt eine große, zusammengeklappte Massageliege an einem Riemen über der Schulter. Er ist nicht jung und muskulös, wie ich erwartet hatte. Warum sollte er auch? Er ist erbarmungslos unspektakulär, mittleren Alters und trägt eine Nadelstreifenhose, ein T-Shirt, das verkündet PARANOIDE VERFOLGEN MICH ÜBERALL, und dazu eine rosa Fliege. Das ist wahrscheinlich eine Art Insider-Masseurwitz.
»Sind Sie Gary?«
»Ja. Der bin ich. Aber sagen Sie ruhig Ga zu mir, ist kürzer.«
»Gary ist schon recht kurz.«
»Ja, aber das sind zwei Silben«, sagt er und hält zwei Finger in die Höhe.
Da der Mann sich das offenbar gründlich überlegt hat, bitte ich ihn einfach herein. »Hallo, ich bin Jo. Ich habe Sie angerufen.«
»Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagt er extrem fröhlich. »Tja, wäre ganz schön schwierig, Jo zu einem Spitznamen abzukürzen.«
Er marschiert mit seiner Klappliege herein und dreht sich dann einmal um sich selbst wie ein Hund, der seinen Schwanz jagt.
»Das ist ja mal ein Haus«, sagt er. »Was für ein Haus.« Er macht eine kurze Pause. »Nicht übel, dieses Haus.«
»Was bedeutet die Fliege?«, frage ich.
Er berührt schützend seine Kehle. »Das ist mein Markenzeichen. Ein kleines Extra, verleiht dem Ganzen ein bisschen Klasse. Ist aber im Preis inbegriffen.«
»Würden Sie einen Moment hier warten?«, bitte ich ihn.
Ich gehe hinaus auf die Terrasse, wo sich Helen und Virginia unterhalten. Helens Hand ruht auf Virginias Schulter. Maeve hat sich wieder dem Trost der Philosophie zugewandt, Summer und CJ quasseln miteinander, doch von Ereka ist nichts zu sehen.
»Wo ist Ereka?«, frage ich.
Alle blicken sich verwundert um. Niemand hat bemerkt, dass sie nicht mehr da ist.
»Ich glaube, sie wollte nach oben und ihre Sachen packen«, sagt Virginia.
»Aha. Also, Helen, ich war so frei, Gary anzurufen. Du weißt schon – sechzig Dollar für eine Ganzkörpermassage?«
»Und?«
»Er ist hier – ich wollte Ereka damit überraschen.«
»Schuldgefühle sind was Wunderbares«, sagt Helen.
»Halt die Klappe. Ich will damit nicht mein Gewissen beruhigen. Sie kann eine Massage wirklich brauchen.«
»Das können wir alle«, sagt sie und zeigt auf sich selbst.
»Schön, dann bekommst du auch eine. Ich spendiere sie dir.«
»Oh, es ist gleich viel netter mit dir, wenn du ein schlechtes Gewissen hast … Und, ist er scharf?«, fragt Helen.
»Unter dieser Fliege steckt ein ganz harmloser Mensch, da bin ich
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