Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
mir sicher.«
Ereka hat vor Seligkeit das Bewusstsein verloren. Oder sie ist tot. Jedenfalls hängt sie auf dieser Massageliege und hat sich in der vergangenen Stunde nicht ein einziges Mal gerührt. So lange hat Gary ihren müden, schmerzenden Körper gestrichen und gewalkt und geknetet und gerieben. Das ist eine sehr menschliche Sehnsucht – berührt zu werden. Wir laufen geschäftig durchs Leben und empfinden solche Berührungen als Luxus, wie Kaviar oder einen Flug in der First Class. Dabei sind sie eigentlich ein Grundbedürfnis, genauso notwendig, wie die Blase zu entleeren oder zu zwinkern. Meine Freundin Bella hat mir einmal erzählt, dass sie eine Massage für sich und ihre Mutter gebucht hatte. Ihre Mutter, die seit über zehn Jahren verwitwet war, begann haltlos zu schluchzen, sobald die Masseurin sie berührte. Diese Geschichte bringt mich beinahe selbst zum Weinen.
Ich erinnere Frank öfter mal daran, dass ich eine ordentliche Berührung sehr zu schätzen weiß – ob es ihm etwas ausmache, sich auf meinen Rücken und meine Füße zu konzentrieren? Ja, genau da, danke. Aber sobald Haut auf Haut trifft – und ich rede hier von Ellbogen und großen Zehen –, betrachtet er das als generelle Einladung. Er versichert mir immer wieder, dass diese Reaktion unwillkürlich ist und er seine Erektionen nicht steuern kann. Manchmal ist mir der Genuss einer Rückenmassage das Risiko wert, dass die Sache außer Kontrolle gerät. Und wie Frank in der postorgiastischen Zusammenfassung gern anmerkt: »Na, war das jetzt so schrecklich?« War es natürlich nie.
Manchmal frage ich mich, ob ich meine Kinder oft genug berühre. In sämtlichen Büchern stehen Dinge wie Bewahren Sie emotionale sowie angemessene körperliche Nähe zu Ihren Kindern auch im Teenager-Alter. Aber was, wenn sie einen wegschubsen? Dann braucht man neue Strategien und Möglichkeiten, sie im Arm zu halten, die ihnen nicht so vorkommen, als würden sie im Arm gehalten. Jamie ist in letzter Zeit sehr verlegen und schamhaft geworden, was ihren Körper angeht, und schützt ihn vor allen Blicken. Im Stillen bejubele ich jede Grenze, die sie selbst zieht, um sich zu beschützen und zu behaupten. Trotzdem will ich nicht, dass sie vergisst, wie es ist, berührt zu werden – wie es sich anfühlt, wenn einem jemand den Kopf streichelt, den Rücken reibt, die Hand hält. Manchmal erlaubt sie mir noch, sie richtig zu umarmen, aber da sie inzwischen so groß ist wie ich, fällt das Drücken und Kuscheln, das mit einem kleineren Menschen so natürlich war, etwas unbeholfen aus.
Sie ist ausgewachsen – eine scheue Giraffe, die meinen Hals beschnuppert. Nur einen Augenblick lang, dann schüttelt sie mich ab und geht weiter. Manchmal schaffe ich es, ihr den Rücken zu streicheln, wenn ich in ihr Zimmer gehe, um ihr gute Nacht zu sagen, und sie in einem nachgiebigen Augenblick erwische, in ein Buch vertieft, endlich einmal nicht vor dem Computerbildschirm. Doch beim Gutenachtkuss werde ich dann getadelt, weil ich ihre Anti-Pickel-Creme verschmiert habe. Hin und wieder massiere ich ihr die Füße, während sie fernsieht. Manchmal erlaubt sie mir, ihr beim Schminken zu helfen und ihr die Haare zu machen. Aber ihr Körper gehört jetzt ihr allein – diese Arme und Beine, die ich früher abgetrocknet habe, das prächtige Haar, das ich jahrelang gewaschen und auch mal entlaust habe, diese Wangen, die ich nach Herzenslust küssen konnte, stehen jetzt unter ihrer Obhut, unter dem Schutz ihrer Adoleszenz.
Wir vergessen wohl allzu leicht, welch ein Privileg es ist, wenn jemand uns erlaubt, ihn zu berühren. Das sollte uns immer präsent sein. Als ich ihr neulich Abend angeboten habe, ihr den vor PMS schmerzenden Bauch zu massieren, hat sie mich weggeschoben. Als Mutter muss man sich gegen solche Zurückweisungen wappnen. Das ist das einzige Vernünftige.
Bis vor einem Jahr ist Aaron noch manchmal mit zu mir in die Badewanne gestiegen. Jedes Mal habe ich mich gefragt: Ist das jetzt das letzte Mal? Ich habe unsere Gespräche in der Geborgenheit der Wanne sehr genossen, während unsere Füße sich im warmen Wasser berührten und er manchmal vorsichtig meine Brüste beäugte – vertraut und allmählich fremder werdend. Dann, eines Tages, war es vorbei. Als wäre er abends eingeschlafen und weit jenseits gemeinsamer Bäder wieder aufgewacht. Ich bemühte mich, ihnen nicht nachzutrauern, und fand mich bewundernswert stoisch. »Du möchtest nicht wirklich, dass
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