Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
etwas nach«, sagt Virginia. »Wegen Olivia. Eine Freundin von mir leitet ein Heim für geistig behinderte Erwachsene. Sie hat das Ganze selbst aufgebaut, weil sie ihrem Bruder helfen wollte, der bei einem Autounfall einen Hirnschaden davongetragen hat. Mit dem Geld von der Versicherung hat sie das Anwesen gekauft.«
»Tatsächlich? Wo ist das?«
»Im Norden von Queensland. Ein wunderschönes Fleckchen Erde, und die meisten Mitarbeiter sind Ehrenamtliche. Leute, die sich für ein ethisches Leben engagieren, das niemanden ausgrenzt. Sie arbeiten regelmäßig dort oder helfen, alle möglichen Aktivitäten zu organisieren. Die Einrichtung ist klein, nur acht Menschen wohnen dort zusammen, aber vielleicht möchtest du mal mit ihr sprechen? Dir das Projekt ansehen? Es dir durch den Kopf gehen lassen, für die Zukunft? Ich fahre gern mit dir hin.«
Ereka nickt. »Danke. Wow, das klingt … gut.«
Wir alle schweigen einen Moment, während diese hoffnungsvolle Aussicht die Stimmung etwas hebt.
»Wir sollten uns außerdem ein paar Gedanken darüber machen, wie ihr Vorkehrungen für Olivia treffen könnt, beispielsweise durch ein Testament«, sagt CJ. »Ich würde alles tun, um dir zu helfen.«
»Wisst ihr, was? Ich werde Olivia und ihren Freundinnen Zumba-Stunden geben.« Summer lächelt.
Ereka schnieft, überwältigt von so viel Großzügigkeit. »Das ist sehr lieb von euch allen.«
Ich habe nichts zu geben, abgesehen von meinem Angebot, sie zum Arzt zu begleiten. Das hier ist natürlich kein Wettbewerb darum, wer die beste Freundin ist, aber vielleicht lade ich sie nach dem Termin noch zu einer Weinprobe ein.
Helen legt Ereka eine Hand auf die Schulter. Ereka wischt sich die Augen.
»Virginia, was ist mit einer Adoption?«, fragt Maeve. »Es gibt so viele ungewollte Kinder auf der Welt und so wenige geeignete Erwachsene, die sich um sie kümmern können.«
»Ich will allein kein Kind adoptieren. Ich könnte mir nichts Schlimmeres vorstellen, als eine alleinerziehende Mutter zu sein.«
Maeve nickt, als könnte sie das vollkommen verstehen. Ihre ganze Lebensgeschichte steckt in dieser Geste, die man für bloße Zustimmung halten könnte, wenn man es nicht besser wüsste. Dann sieht sie mich an, und wir beide lächeln.
»Du kannst jederzeit als Extramutter fungieren. Als ganz tolle Patin«, sage ich.
Virginia schnaubt verächtlich. »Weißt du, wann du richtig in der Klemme steckst? Wenn die Leute anfangen, dich zur Patentante zu machen. Ich habe schon vier Patenkinder – und meine Freundinnen und Cousinen haben mich insgesamt neun Mal gefragt, ob ich Patin sein will! Alle denken sich: Die arme Virginia wird nie eigene Kinder haben. Heften wir ihr doch einen wohlklingenden Titel an und gönnen ihr eine ganz besondere Rolle bei der Taufe, dann vergisst sie vielleicht, dass sie eine unfruchtbare alte Jungfer ist.«
»He, so haben Dave und ich nie gedacht«, protestiert Helen.
»Ja, schon gut, das war etwas unfair. Ihr beiden wart die Ersten, die mich zur Patin gemacht haben – noch ehe mir und dem Rest der Welt klar war, dass ich nie eigene Kinder haben würde.«
»Du siehst doch, was ich alles durchmache«, sagt Helen. »Dass ich nie Zeit für mich habe, dass Cameron mich mit seinem Vegetarier-Fimmel in den Wahnsinn treibt, genauso wie Sarah mit ihrem losen Mundwerk und Nathan mit seiner Besserwisserei, und erst Levi mit seinen dämlichen Mädchenkleidern. Der Krach, die Zahnarzttermine, die Schwimmkurse. Du willst doch nicht ernsthaft dein aufregendes Leben gegen diese Hölle eintauschen?«
Wir haben den Höhepunkt der Unterhaltung erreicht, durchfährt es mich, als diese Worte aus Helen hervorbrechen wie ein Wirbelsturm. Genau das ist der springende Punkt: Wer von uns würde die Rollen tauschen? Bei allem, was wir über das Leben der anderen wissen?
»Dir kommt es vielleicht wie die Hölle vor, aber aus meinem Blickwinkel«, Virginias Stimme ist kaum mehr ein Flüstern, »sieht es paradiesisch aus.«
Paradiesisch. Sie hat paradiesisch gesagt. Wir Mütter versinken meistens im Chaos. Wir sind versklavt, angebunden, zur Flucht in den Alkohol getrieben, krank vor Sorge, überlastet und unterschätzt. Wir sind vollgestopft mit unserer Bedeutung für andere. Haben keinen Augenblick für uns. Wenn man es recht bedenkt – wir sind die Auserwählten.
Ereka schüttelt den Kopf. »Mich brauchst du nicht zu beneiden, Virginia.«
Virginia lächelt. »Ich sage dir, worum ich dich beneide, Ereka.« Sie macht
Weitere Kostenlose Bücher