Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
auf die Unterlippe. Hier geht es um Fragen der Vertraulichkeit. Freundschaft, Privatsphäre. Wenn Ereka nicht nein sagen kann, geht mich das nichts an. Ich bin nicht ihre Aufpasserin und in keiner Weise für sie verantwortlich. Niemand hat das Recht, uns als Mütter und unsere Erziehung in Frage zu stellen. Das gilt auch für unsere Art, zu lieben. Ich weiß, wie es sich anfühlt, in der tiefsten Senke unterhalb der moralischen Überlegenheit herumzukriechen. Da unten habe ich dieses Wochenende schon viel Zeit verbracht. Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet.
Ich sehe Helen fest in die Augen und behaupte: »Ich habe keine Ahnung.«
19 Die Mauer ist gefallen
D er geheime Garten an der Westseite des Hauses ist ein Königreich aus Kissen Fleißiger Lieschen. Man erkennt deutlich die vielen kleinen, sorgfältigen Entscheidungen des Entwurfs: Vogelbad, Springbrunnen, Engelsstatuen, Bäume und Stauden. Ich bemerke eine Schaufel und ein Paar Gartenhandschuhe, die Callum vor einem Lavendelbusch vergessen hat. Sie versprechen, dass er bald zurückkommen wird.
Nach Erekas Abreise habe ich Maeve sachte angestupst. »Wir wäre es mit einem Spaziergang?«
Sie schaute auf die Uhr, verschwand nach drinnen und kehrte mit einem riesigen Sonnenhut, Sportsandalen und einem Gürtel mit Wasserflasche daran zurück, als brächen wir zu einer dreitätigen Wanderung auf. Ich hatte nur einen kleinen Streifzug durch das Anwesen gemeint, aber bitte.
Tennyson hat sich uns angeschlossen, dankbar für die Abwechslung. Er hebt das Beinchen, als wäre es das Aufregendste in seinem Leben, an einen Lavendelbusch zu pinkeln. Dann niest er gewaltig.
»Gesundheit«, sage ich.
Maeve beugt sich hinab und deutet auf eine Gottesanbeterin auf einem Zweig.
»Wunderschön.« Das sage ich nur, weil ich sicher bin, dass sie genau das denkt.
»Sie gehören übrigens zu den perfektesten Raubtieren, die die Natur hervorgebracht hat. Es kommt häufig vor, dass das Weibchen das Männchen während der Paarung frisst. Sie beißt ihm einfach den Kopf ab.«
»Das ist eine ziemlich extreme Abhilfe, um nicht auf dem nassen Fleck schlafen zu müssen. Das musst du auch nie, oder? Du schickst Stan einfach nach Hause …«
Maeve lacht. »Ab und zu wird ihm durchaus gestattet zu bleiben. Aber man möchte doch nicht, dass das zur Gewohnheit wird.«
»Bewahre«, sage ich.
Wir gehen um das kreisförmig angelegte Beet mit Zitronenthymian, Basilikum, Minze und Rosmarin herum. Maeve schnuppert hin und wieder an den Kräutern. Ich stecke mir ein paar Blätter Minze fürs Abendessen in die oberste Tasche meines Sweaters. Sie kaut ein Blatt Basilikum.
»Fehlt dir denn nie die Gesellschaft? Eines Ehemannes oder Lebensgefährten, meine ich?«
»Ich glaube nicht. Ich kann Stan sehen, wann immer ich will, und das ist mehr, als die meisten Frauen von ihren Ehemännern behaupten können. Wenn man lange allein gelebt hat, wird man recht starr in seinen Gewohnheiten, denke ich. Stan geht es ebenso, was vermutlich der Grund dafür ist, weshalb unsere Beziehung so gut funktioniert.«
»Fühlt sich das nicht an wie ein leeres Nest? Jetzt, da Jonah nicht mehr da ist?«
»Ich fand schon immer, dass die Aussicht, irgendwann wieder frei zu sein, die Mutterschaft erst erträglich macht.« Vielleicht in Gedanken an Erekas Lebenssituation fügt sie hinzu: »Zumindest haben die meisten von uns dieses Glück.«
Maeve macht es einem schwer, sich ihr nah und verbunden zu fühlen. Nicht absichtlich, eher so, als wäre ihr vieles entglitten. Wenn ich mich mit ihr unterhalte, habe ich oft das gleiche Gefühl, wie wenn ich um drei Uhr morgens aufwache, Frank neben mir schlafen sehe und mich so ganz allein kaum lebendig fühle. Ich muss mich dann jedes Mal beherrschen, ihn nicht zu wecken. Schlaf ist kostbar, das weiß ich nur zu gut. Ich will Travis keinen Vorwurf machen, aber zum ersten Mal litt ich mit neunzehn unter schweren Schlafstörungen, nachdem er für ein Jahr ins Ausland gegangen war. Er war der erste Mann, den ich wirklich geliebt habe. Die Sehnsucht nach ihm hat mich damals um den Schlaf gebracht. Es ist schwer zu erklären, warum ich ausgerechnet jetzt daran denke. Irgendwie hat es damit zu tun, wie leicht die Dinge uns entgleiten. Wir sind nie wieder zusammengekommen.
»Was treibt Jonah so zurzeit?«, frage ich.
»Wenn ich dir das sagen sollte, müsste ich raten. Er ist nicht berühmt dafür, regelmäßig zu schreiben oder anzurufen, um mich über seinen
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