Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
gewaltverherrlichende Spiele erlaubt?« Diese Affinität zum Krieg kommt doch bestimmt daher, dass er früher Räuber und Gendarm gespielt hat. Ist das nicht bei allen Jungen so?
»Wir haben ständig darüber verhandelt. Einige habe ich durchgehen lassen. Nicht alle.«
»Wie war er so als Kind?«
»Er hat sich tapfer und unablässig bemüht, sich bei den Menschen um ihn herum möglichst unbeliebt zu machen. In der Schule war er praktisch jede Woche in eine Prügelei verwickelt. Er hat Geduld und Verständnis seiner Lehrkräfte und Schulleiter auf eine harte Probe gestellt.«
Aha. Seht ihr, er war ein zorniges Kind. Wer kann es ihm verdenken? Man muss Verständnis für Menschen mit einem solchen Hintergrund, einem so holprigen Start haben.
»Also, Aaron muss gerade einen Monat lang täglich nachsitzen, weil er zu einer Lehrerin gesagt hat, er habe die Schnauze voll von ihren Arbeitsblättern. Und, ich zitiere: ›Diese Schule ist Scheiße.‹ Er verbringt ziemlich viel Zeit auf dem stillen Stuhl.«
Ich hätte nicht erwartet, dass Maeve das lustig findet, aber sie kichert. Also, ich nehme Nachsitzen sehr ernst.
Tennyson buddelt ein Loch in den lockeren Boden des Kräuterbeets.
Maeve scheucht ihn weg und versucht, die Stelle mit den Händen wieder zu glätten. »Man kann einem Hund nun mal nicht verbieten, was in seiner Natur liegt«, murmelt sie.
Tennyson hält das für ein neues Spiel und fängt ein Stückchen weiter erneut zu buddeln an.
Maeve hockt sich auf die Fersen und beobachtet ihn. Dann sagt sie: »Als Jonah zwölf war, hat er ein Mädchen in seiner Klasse mit dem Zirkel aus seinem Geometriemäppchen bedroht. Dafür wurde er natürlich von der Schule verwiesen.«
»Der Arme«, nuschele ich. Aaron würde so etwas nicht wagen.
Maeve richtet sich auf, die Hände in die Hüften gestemmt. »Manchmal habe ich davon geträumt, ihn zu Pflegeeltern zu geben und eine zweite Doktorarbeit irgendwo im finstersten Herzen Afrikas zu schreiben.«
»Wirklich?«
»Dieser Junge hat mich auf einen Rundgang durch die neun Kreise der Hölle geschickt. Als er fünfzehn war, hatte ich, wie Summer es ausdrücken würde, echt die Nase voll.«
Vielleicht sind Jungen dazu geschaffen, sich einen Weg durch die Hölle zu bahnen und dabei ihre kreischenden Mütter hinter sich her zu schleifen. Ich habe keine Ahnung, was nötig ist, um ein Mann zu werden. Es könnte sein, dass die aufgestaute Aggression, die genaue Untersuchung der vielen Möglichkeiten, etwas zu werfen und zu fangen, oder die experimentelle Suche nach dem Maximum an unverschämten Dummheiten, die ein einziger Mensch von sich geben kann, irgendetwas mit der Entfaltung der Männlichkeit zu tun haben. Manchmal habe ich den Eindruck.
Braucht eine Mutter in der Sammlung ihrer Erinnerungen wirklich diesen Tag, an dem sie ins Büro der Rektorin zitiert wurde, weil ihr Sohn einem Mädchen in seiner Klasse mitgeteilt hat, er »schlafe mit ihrer Mutter«?
Die Rektorin ermahnte Aaron mit strenger, aber gütiger Geduld: »Nicht jede Dummheit, die dir durch den Kopf geht, muss auch geäußert werden. Ich weiß, dass Jungen gern angeben und Dinge sagen, bei denen sie sich besonders groß vorkommen, doch du musst auch lernen, manchmal einfach den Mund zu halten.«
Ich malte mir bereits tausend Möglichkeiten aus, ihn umzubringen.
Als ich ihr Büro verließ, berührte sie mich sacht am Arm und flüsterte: »Seien Sie nicht zu streng mit ihm.«
Also überließ ich die Sache Frank. Erstens traute ich es mir nicht zu, fair zu sein. Ich kenne mich selbst gut genug, um zu wissen, wie kurz meine Zündschnur ist, wenn es darum geht, was für dumme Sachen Jungen sagen. Ich fürchtete, ich könnte ihn ungespitzt in den Boden rammen, obwohl es ein leichter Schlag auf den Hinterkopf auch getan hätte. Zweitens »versteht« Frank Aaron auf eine Weise, wie ich ihn einfach nicht verstehen kann, damit habe ich mich inzwischen abgefunden. Das liegt vermutlich daran, dass mir ein Y-Chromosom und ein Penis fehlen.
Ja, ja, ich kenne meine Grenzen ganz genau. Mein Sohn hat mir gezeigt, wie wenig ich tatsächlich von Männern verstehe. Zum Beispiel wenn es darum geht, wie wichtig es ihnen ist – wie viel es ihnen wahrhaftig und aufrichtig bedeutet –, welches Land die Fußball-WM gewinnt oder wie viele Centurys Sachin Tendulkar beim Kricket erzielt hat. Das liegt ihnen so am Herzen, wie einem die vielen Aids-Waisen oder die Armut in der Dritten Welt am Herzen liegen sollten. Ich habe
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