Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
festgestellt, dass sie bereit sind, gebrochene Nasen und schwere Kopfverletzungen zu riskieren, um einen Ball über eine Linie zu befördern. Sie werden stark von Dingen angezogen, die Rumms und Peng machen. Der Fairness halber kann ich nur sagen, dass sie … seltsam sind.
Frank hatte kurz zuvor ein kleines Vermögen für zwei Karten für die Ashes ausgegeben. Die beiden zählten schon ungeduldig die Tage bis zu dem Kricket-Turnier. Frank sagte über den Vorfall in der Schule nur: »Ich will nicht wissen, warum du gesagt hast, was du da gesagt hast, aber wenn du je wieder so mit einem Mädchen sprichst, war’s das mit den Ashes, und das wird noch der angenehmste Teil dessen sein, was dich erwartet.« Mehr nicht.
Ich fragte mich einen Augenblick lang, ob Aaron durch einen dummen Zufall auf das Türschild gestoßen sein könnte, das ich Frank als kleinen Scherz zum Hochzeitstag geschenkt hatte: »Bitte nicht stören. Habe gerade Sex mit deiner Mutter.« Dabei kann ich euch versichern, dass wir dieses Türschild äußerst diskret verwahrt haben.
Abgesehen davon, dass mir das Ganze entsetzlich peinlich war, fühlte ich mich nicht dafür verantwortlich. Nicht auf dieselbe Weise, wie wenn ich sorgsam seine Weintrauben schälte, ihm Dr. Seuss vorlas, bis er endlich einschlief, oder wie ich seine Wutanfälle, seine Pingeligkeit und seine schmutzigen Ausdrücke als mein persönliches Versagen empfand.
Momentan wird er vom Rowdytum in Besitz genommen. MTV, Gangsta Fashion und Freunde mit großen Brüdern haben mehr Einfluss auf seine Menschwerdung als alles, was ich zu bieten hätte. Die hässliche Welt dringt bis zu ihm vor, und ich habe keine Möglichkeit, ihn dagegen zu versiegeln.
»Wie bist du mit Jonah fertig geworden?«
»Anfangs gar nicht. Irgendwann habe ich ihm dann die Wahrheit über Solanges Tod erzählt, dass sie seine leibliche Mutter ist und ihn die ersten achtzehn Monate seines Lebens großgezogen hat. Auch wie sie gestorben ist und dass er dabei war. Wir hatten schon immer Bilder von Solange im Haus, aber nach diesem Gespräch hat er sich ein eigenes Foto von ihr gewünscht, es vergrößern lassen und in einem besonderen Rahmen aufgestellt. Manchmal habe ich gehört, wie er unter der Bettdecke geflüstert hat, von diesem und jenem, den Erlebnissen des Tages – er hat sie dem Foto erzählt.«
In meinem Herzen regt sich Mitgefühl mit diesem Jungen, der inzwischen ein Mann ist.
»Es ist wirklich albern, wie … eifersüchtig ich war.«
Dieses Geschenk entgeht mir nicht. Sie vertraut sich mir wahrhaftig an.
»Irgendwann hat er sich angewöhnt, von seinen zwei Müttern zu sprechen: Mum Eins, und ich war Mum Zwei. Daraus entstand irgendwann die Abkürzung Muz – so nennt er mich heute noch.« Sie hält inne, nimmt ihre Wasserflasche aus dem Halter am Gürtel und trinkt daraus. »Ich vermute, dass wir unsere Kinder unbewusst in die ungeklärten Geschichten unserer eigenen Vergangenheit hineinzwingen. Sie spüren es, wenn etwas nicht stimmt, und ohne richtige Erklärung suchen sie die Schuld erst mal bei sich. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass wir die Dinge aussprechen müssen, die nun einmal ausgesprochen werden sollten. Eigentlich gibt es gar keinen anderen Weg.«
Wir halten gemeinsam einen zarten Faden fest, der in der Dunkelheit der vergangenen Nacht gesponnen wurde.
Ich setze mich auf den Rand des Springbrunnens. Der Stein hat die Hitze der Sonne absorbiert und wärmt mir den Hintern. Ich habe meine Kinder immer vor schmerzlichen Tatsachen zu schützen versucht. Als Jamie und Aaron zehn und acht Jahre alt waren, hat eine Freundin uns eingeladen, zusammen mit ihr und ihren Kindern an einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des Holocaust teilzunehmen. Ich habe damals abgelehnt, weil ich meinen Kindern noch nichts vom Holocaust erzählt hatte. Ich wusste nicht, wie ich ihnen das erklären sollte. Manchmal ist es leichter, so zu tun, als gäbe es etwas gar nicht.
Bald darauf fand Jamie das mit dem Holocaust selbst heraus – sie sah Jäger des verlorenen Schatzes. Wie soll ich das beschreiben? Ich konnte zusehen, wie die Kindheit aus ihren Augen rann, während ich ihre Fragen beantwortete und ihr dieses Wissen darbot wie einen vergifteten Apfel. Vielleicht hätte ich den Fernseher ausschalten sollen, ehe Steven Spielberg das Thema anschnitt.
»Wollen wir uns den Gedenkgarten ansehen?«, fragt Maeve und geht voran.
Für eine so kleine Person macht sie erstaunlich lange Schritte. Ich muss
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