Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
ich glaub’s nicht«, sage ich.
Kaum habe ich es ausgesprochen, scheint mein erschrockener Körper zu begreifen, was ich da tue. Er verliert jedes Zutrauen, und ich stürze vom Zaun. Dabei reiße ich mir das neue Sweatshirt auf und bleibe mit meiner Kette am Stacheldraht hängen. Mit einem dumpfen Schlag lande ich im Gras.
»Autsch«, stöhne ich.
Ich blicke auf, und Maeve lacht. Nicht still in sich hinein, wie man es tut, wenn jemand sich dämlich angestellt hat und man ihm nicht noch das Gefühl geben will, sich lächerlich gemacht zu haben. Nein, was sie da tut, nennt man meines Wissens laut Gackern.
»Kuhmist«, keucht sie zwischendrin und zeigt auf einen großen, nassen Kuhfladen, der fast direkt unter dem Zaun im hohen Gras versteckt ist.
Während ich in meinem zerrissenen, hautengen Sweatshirt im Gras liege, mit Kuhmist an der Jeans und blutendem Arm, fühle ich ein kleines Kichern aus meinem Bauch aufsteigen.
»Du hast einen fürchterlich schlechten Einfluss auf mich, Maeve. Ich verstehe wirklich nicht, warum ich mich mit dir abgebe.«
»Haben deine Eltern dich denn nicht vor Mädchen wir mir gewarnt?«
»Planking ist gefährlich.«
»Jetzt haben wir jedenfalls Gewissheit, wie gefährlich es ist.« Sie reicht mir die Hand und hilft mir auf. Vorsichtig klopft sie mich ab.
Ich humpele leicht. Ich habe mich beim Planking verletzt. Vorsichtig befühle ich meinen Hals. Meine Kette mit den silbernen Anhängern!
Maeve hilft mir, im Gras herumzuscharren, bis wir die beiden kleinen Scheiben gefunden haben. Ich trage sie mitsamt der gerissenen Silberkette in der fest geschlossenen Faust zum Haus zurück.
Als wir die Anhöhe erstiegen haben, kommt das Haus in Sicht. Ich höre Helens Lachen von der überdachten Terrasse bis hierher. Ich sehe Virginia mit ihrer Kamera in den Tag spähen, endlich innerlich allein mit sich. Summer und CJ sitzen auf dem Mäuerchen und unterhalten sich.
Während Maeve und ich auf Blind Rise Ridge zugehen, bin ich mir sicher: Den Angriff eines Nilpferds überlebt man vielleicht nicht immer, aber im Alter von fünfzehn Jahren die Mutter zu verlieren, das kann man überleben. Ebenso den Tod der einzigen Schwester. Man kann sogar das Leid seiner Kinder überleben, auch wenn es kein bestimmtes Verfallsdatum hat. Es gibt immer eine Möglichkeit, weiterzuleben, nachdem einen das Leben in die Knie gezwungen hat. Ich weiß jetzt, dass man mindestens tausend Rosenbüsche braucht, um den Verlust eines Kindes im Boden zu verwurzeln. Menschen machen weiter, auch wenn sie unfruchtbar sind oder einsam oder wenn sie betrogen wurden.
Mutter zu sein richtet grelle Scheinwerfer auf unsere Schatten und lässt unsere Fehler übergroß erschienen. Dabei wird uns wohl allen irgendwann klar, dass wir keineswegs der einigermaßen vernünftige, anständige Mensch sind, für den wir uns immer gehalten haben. Dafür kommt uns vielleicht öfter, als es gesund ist, der Gedanke, wie froh wir sind, nicht unsere eigene Mutter zu sein. Erstaunt stellen wir fest, wie laut wir werden können und wie wütend. Wir sind alle irgendwann einmal davon überzeugt, dass wir es nicht verdienen, Kinder zu haben, und unter den entsprechenden Umständen womöglich dazu fähig wären, kleine Hunde mit bloßen Händen zu zerquetschen. Irgendwann sehen wir dann ein, dass wir nur ganz normale Mütter sind, die ihr Bestes tun, und dass das gut genug ist.
Allmählich begreife ich, dass wir das, was wir mit uns selbst nicht klären, als schmutzige Wäsche an unsere Kinder weiterreichen. Sie werden unsere Päckchen für uns schultern und unsere Tränen für uns vergießen, bis wir unseren Schmerz eines Tages annehmen und ihn so zurückholen. Das geht nur, indem wir die Qual aus unseren eigenen Erlebnissen ablassen, das Fundament ordentlich versiegeln, alle lecken Rohre reparieren und uns um die feuchten Stellen kümmern, an denen das Übel seinen Lauf genommen hat. Durch diesen Prozess werden wir für einen Menschen, der zu sich selbst heranwächst, zu jener Person, die wir für diesen Menschen sind. Jeder Augenblick ist eine Gelegenheit, beiden zu begegnen, so dass wir uns selbst Auge in Auge gegenüberstehen wie einem angriffslustigen Nilpferd.
Unten am Damm wirft Callum Tannenzapfen für Tennyson, der auf seinen dicken Stummelbeinchen sein Bestes gibt, um sie zu holen und zurückzubringen. Er springt herum und bellt irgendetwas an, das nur er sehen kann. Vielleicht ist es Matilda. Oder eine Libelle. Es könnte auch das
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