Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
wähle, was ich im Supermarkt kaufe, warum ich sämtliche Produkte boykottiere, die Geschmacksverstärker enthalten, wie viel Strahlung von Elektrogeräten und welche Schimpfwörter ich in meinem Haus dulde – all das bemisst sich einzig und allein nach meiner Liebe zu meinen Kindern. Wenn der Rest der Welt geopfert werden müsste, damit sie überleben, bräuchte ich keine Sekunde lang über diese Entscheidung nachzudenken. Das ist ein beeindruckender und zugleich schreckenerregender Gedanke.
Jamie und Aaron sind die beiden Sterne in meiner Galaxie, nach denen ich meine Existenz ausrichte und die Koordinaten von Bedeutsamkeit und Wichtigkeit bestimme. Ich bin der Türsteher zwischen ihnen und der bösen, großen Welt. Wenn die Welt ihnen was will, muss sie erst mal an mir vorbei. Bei diesem Gedanken wird mir bewusst, dass ich vor allem eines will: bei meinen Kindern sein, wenn sie leiden. Ich kann ihr Leid nicht verhindern und es ihnen auch nicht abnehmen. Alles verschiebt sich, während meine Kinder sich Stückchen für Stückchen von mir abnabeln und mich mir selbst zurückgeben. Allerdings weiß ich noch nicht so recht, was ich mit mir anfangen soll, wenn ich wieder ganz zusammengesetzt bin.
Ich fühle mich gedrängt. Als näherte sich alles einem Ende. Und ich muss zu ihnen nach Hause, ehe sich erneut zu viel ändert.
»Komm, Maeve, machen wir uns auf den Rückweg«, sage ich und wende mich zum Gehen.
Sie folgt mir widerstrebend.
Wir verlassen den Wald und schlendern den Hang in Richtung Haus hinauf. Neben uns verläuft der Zaun zwischen Blind Rise Ridge und dem Nachbargrundstück – schmale Holzlatten und Stacheldraht.
Maeve packt mich am Arm.
»Komm, los«, sagt sie.
»Wohin?«
Sie wartet nicht auf meine Antwort, sondern rennt mit flatterndem Schal davon. Ich erkenne die Person vor mir nicht wieder, als ich sehe, wie Frau Professor Foster den Fuß auf die unterste Reihe Stacheldraht stellt und sich in einem Anfall herrlicher Verrücktheit auf die schmale oberste Zaunlatte hochstemmt.
»Sei vorsichtig!«, rufe ich.
Langsam streckt sie sich auf der Zaunlatte aus, geht auf die Zehenspitzen, senkt den Kopf und legt die Arme seitlich an.
»Fall nicht runter«, sage ich und renne zu ihr hin.
»Wo ist dein Handy?«, fragt sie, das Kinn an die Brust gezogen. Ihr ganzer Körper zittert von der Anstrengung, das Gleichgewicht zu halten.
»Im Haus.«
»Mist«, sagt sie und hält sich mit beiden Händen an der Latte fest. Dann richtet sie sich auf und schwingt vorsichtig die Beine herunter. »Als Planking zählt es offiziell nur, wenn man einen fotografischen Beweis hat.« Atemlos hüpft sie von dem Zaun. Ihre Wangen sind gerötet, ihre Augen sprühen Funken. »Na los«, sagt sie. »Jetzt du.«
»Ist das nicht gefährlich?«
Sie mustert mich mit schmalen Augen. »Die meisten Unfälle …«
»… passieren im Haushalt«, beende ich den Satz.
»Genau.«
Schon gut. Ich habe Aarons Buch über die 100 größten Gefahren gelesen und weiß, wie leicht man einen tödlichen Stromschlag abbekommen, sich beim Anziehen ein Bein brechen, von einem Balkon stürzen, beim Schlafwandeln die Treppe hinunterfallen oder eine mit Botulinumtoxin verseuchte Dose Bohnen erwischen kann. Und dass all das genauso wahrscheinlich ist, wie von einem Löwen gefressen oder von einem Tsunami weggespült zu werden.
Ich nähere mich dem Zaun. Die Stachelknoten an dem Draht erscheinen mir ganz besonders unfreundlich. Hoffentlich sind meine Kinder zu vernünftig, um je so etwas Dämliches zu tun. Ich bete darum, dass ich ihnen genug Angst eingejagt habe, um sie davon abzuhalten, von Felsen ins Wasser zu springen, sich von Fremden im Auto mitnehmen zu lassen oder stark befahrene Straßen irgendwo anders als an Ampeln zu überqueren. Unfälle geschehen jeden Tag, und ich will nicht, dass meine Kinder da sind, wenn es gerade so weit ist. Ich hole tief Luft und umfasse die oberste Latte. Vorsichtig stelle ich beide Füße auf den Stacheldraht, ziehe langsam ein Bein hoch, lege es auf die Latte, verlagere mein Gewicht darauf und hebe langsam das andere Bein an. Mein Körper wackelt und kämpft um sein Gleichgewicht. Das Herz flattert in meiner Brust wie ein panischer Fink.
»Wenn du dich ausbalanciert hast, nimm die Arme an die Seiten«, sagt Maeve und legt mir eine Hand ins Kreuz.
Ich lasse die Latte los und presse die Arme an meine Oberschenkel.
Maeves Hand löst sich von meinem Rücken.
»Perfektes Planking«, sagt sie.
»O Gott,
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