Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
gesehen habe. Ich will sie auch nicht beleidigen, indem ich scheinheilig entgegne, das habe sie nicht. Also lächle ich und sage: »Helen wird sich riesig freuen, dass du da bist, denn ich bin als ihre Schlemmerpartnerin offiziell gefeuert.«
Ich nehme ein Champagnerglas für sie mit, hake mich bei ihr unter und führe sie hinaus auf die Veranda.
Ereka hebt mit klirrenden Armreifen das Glas an die Lippen. Sie ist schon bei der zweiten Runde Champagner mit Cranberrysaft und trinkt das Zeug, als würde sie morgen eine Diät anfangen.
»Was macht dein Göttergatte?«, bringt Helen sich im Zeitraffer-Modus auf den neuesten Stand.
Ereka zögert. »Es geht ihm gut.«
»Oh-oh. Wann ist Jake von ›er ist so was von wunderbar‹ zu ›es geht ihm gut‹ degradiert worden?«
Ereka kichert gezwungen. »Er ist prima … ja, wirklich prima.« Sie sieht aus, als hätte sie damit ihre Liste an Adjektiven erschöpft.
Sie trinkt noch einen kräftigen Schluck und taucht die Hand in die Chipstüte. Dann blickt sie auf, in unsere erwartungsvollen Gesichter.
»Was denn? Es ist alles okay … wir haben momentan nur nicht so viel Zeit füreinander. Es liegt ausschließlich an der Zeit. Nicht an ihm. Oder uns.«
»Ach ja, richtig, wir sollen ja Zeit mit unseren Ehemännern verbringen – das hätte ich beinahe vergessen«, erwidert Helen grinsend. »Ich muss glatt einen Termin mit David vereinbaren, wenn ich die nächsten Wochenenden planen will. Er hat nie frei. Die Firma ist sein Baby. Was hat Jake für eine Entschuldigung?«
»Ihr wisst schon, die Finanzkrise und so weiter …« Ereka verstummt kurz. »Wir hatten so viele Ausgaben. Olivia braucht immer irgendwas, noch diese oder jene Untersuchung … Jake macht sich ständig Gedanken um unsere Finanzen. Er hat andere Ängste in Geldsorgen projiziert.«
Ereka muss es manchmal so satt haben, ihr Leben zu erklären. Allerdings bietet sie uns anderen damit Gelegenheit, unsere eigenen Probleme zu relativieren, weil sie ein geistig behindertes Kind hat.
»Ja, alles ist schrecklich teuer geworden, nicht?«, stimmt Helen ihr zu. »Alle paar Tage liest man von irgendeinem hochverschuldeten Typen, der sich umbringt. Drückeberger. Richtig fertig macht es mich, wenn sie ihre Familie mit in den Tod nehmen.«
Ich funkele Helen finster an. Soll das Ereka irgendwie helfen?
»Der Druck, eine Familie zu versorgen, ist die Hölle«, sage ich.
»Ach, bitte – die Männer kommen dabei immer noch besser weg«, erwidert Helen. »David könnte niemals zu Hause bleiben und rund um die Uhr auf die Kinder aufpassen. Sie wären längst ertrunken, verloren gegangen oder verhungert. Wenn die Männer nicht die verdammten Brötchen verdienen, wozu sind sie dann da?«
Ereka merkt nachdenklich an: »In guten wie in schlechten Zeiten …«
»Wie, ist das etwa wörtlich zu verstehen?« Helen lacht. »Und, was macht dein Liebesleben? Heißt es nicht immer, Stress sei tödlich für die Libido? Das liest man doch in jeder Zeitschrift.«
»Es stimmt.«
»Oh nein, ihr beiden wart meine großen Vorbilder in Sachen ehelicher Sex«, sagt Helen. »Jetzt sag bitte nicht, dass euer Liebesleben den Bach runtergegangen ist.«
»Dass wir uns darüber unterhalten haben, ist schon sehr lange her.«
»Wenigstens noch alle zwei Wochen?«
Ereka hat recht – dieses weinselige Gespräch an unserem letzten Weiberabend ist schon sehr lange her. Wie ein Kind stürzt Helen sich, ohne vorher die Temperatur zu prüfen, kopfüber ins Wasser. Solche kleinen gemeinsamen Erlebnisse schweißen zusammen, aber ich wüsste nicht, dass sie uns zu lebenslänglicher Vertraulichkeit verpflichten.
Ereka schaut drein, als fühlte sie sich in die Ecke gedrängt. »Einmal im Monat – wenn wir Glück haben.«
»David und ich leben inzwischen wie Bruder und Schwester zusammen. Ich liebe ihn, aber ich kann mich einfach nicht mehr aufraffen, mit ihm zu schlafen.«
»Ein Konstruktionsfehler der Monogamie«, bemerke ich.
»Was?«, fragt Helen.
»Je mehr man jemanden liebt, desto weniger törnt er einen an.«
»Das klingt irgendwie falsch«, sagt Helen und rümpft die Nase.
»Man muss eben ein bisschen dreckig werden, verderbt sein. Man braucht Spannung. Fremdheit. Sexy Outfits, etwas Zubehör. Sonst ist das alles viel zu nett. Und mit Mr. Nett will man keinen Sex.«
»Ich hab nichts dagegen, mit jemand Nettem Sex zu haben«, entgegnet Ereka. »Nur auf reizbar hab ich keine Lust.«
»Wir sind einfach bloß müde«, sagt Helen
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