Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
immer mehr Babys bekommen, nur um von kleinen Menschen bedingungslos geliebt zu werden, weil meine präpubertären Kinder mich bloß noch entsetzlich peinlich finden. Außerdem hätte die Toskana dann mindestens ein weiteres Jahrzehnt warten müssen.
»Du und Jake habt doch mal davon gesprochen, dass ihr weitere Kinder wollt, oder nicht?«, fragt Helen.
Ereka hält sich mit beiden Händen den Bauch, wie Schwangere es tun, eine schützende Geste. »Ja. Ich habe mir immer vorgestellt, dass ich irgendwann ein ganzes Haus voll Kinder haben würde, so wie du, Helen – aber wir haben mit Olivia mehr als genug zu tun. Vielleicht im nächsten Leben«, sagt sie sehnsüchtig.
»Wie geht es Olivia denn?« Ich kann nicht anders, als danach zu fragen. Sie ist in Jamies Alter.
Ereka setzt ihr Olivia-geht-es-gut-Gesicht auf. »Wir haben eine wunderbare Schule für sie gefunden. Die Lehrer sind großartig, so engagiert und herzlich. Sie bauen ihr eigenes Gemüse an und haben sogar eine Schildkröte. Olivia hat jetzt einen besten Freund, einen fantastischen Jungen mit Down-Syndrom namens Todd. Er ist ihr Schutzengel.«
Die Art, wie sie über ihre Tochter spricht, erinnert mich an etwas. Da ist ein gewisser Nachdruck in ihrer Stimme. Disziplin. Die Selbstbeherrschung eines Menschen, der ständig auf dem schmalen Grat zwischen Selbstmitleid und Verzweiflung balanciert. Sie klingt, als müsse sie sich selbst von etwas überzeugen.
»Die beiden haben mich eine Menge über die Liebe gelehrt«, sagt sie leise.
»Sind sie denn ein Paar?«, frage ich. Sollte Olivia meiner Jamie in diesem Punkt tatsächlich zuvorgekommen sein?
»Du meine Güte, nein. Er kümmert sich um sie, als wäre sie seine kleine Schwester.«
Ich vergleiche doch nicht etwa unsere Kinder?
»Hat sie schon ihre Periode bekommen?«, fragt Helen.
Ereka nickt. »Vor zwei Jahren.«
»Wie kommt sie damit klar?«
Ereka zuckt mit den Schultern und schweigt ein Weilchen. Ich spüre förmlich, wie viel sie durchgemacht hat, seit wir uns zuletzt gesehen haben. Sie hat mehrere emotionale Mount Everests überwinden müssen. Wo zum Teufel waren wir während dieser Zeit? Wir haben unser ganz normales Leben gelebt. Und auch noch darüber gejammert.
»In manchen Dingen ist es schwieriger mit ihr, in anderen leichter.«
Sie spricht jetzt sehr langsam.
»Es ist ihr nicht peinlich, wenn mal ein Missgeschick passiert, also bleibt ihr zumindest das erspart. Sie ist nicht in der Lage, regelmäßig die Binden zu wechseln, oder vergisst sie gleich ganz. Wenn sie ihre Tage hat, muss ich sie daher bemuttern wie ein Wickelkind.«
In Erekas Gesellschaft komme ich mir auf einmal klein und unbedeutend vor. Ich habe mir solche Sorgen darum gemacht, wie Jamie damit klarkommen wird, dass sie in der Schule bis auf den Rock durchbluten könnte und lernen muss, das zu managen. Ich bin nicht mal auf den Gedanken gekommen, mich zu fragen, wie schwierig das erst für Olivia sein muss und wie entsetzlich unfair die Mutter eines menstruierenden, geistig behinderten Teenagers das finden könnte. Ich bin oberflächlich, weil ich in ganz flachem Wasser lebe. Warum nur habe ich dann manchmal das Gefühl zu ertrinken?
»Jakes Eltern waren weiß Gott keine große Hilfe«, sagt Ereka fast unhörbar.
»Was meinst du damit?«, fragt Helen, beugt sich vor, nimmt die Chipstüte vom Tisch und bedient sich daraus.
»Sie haben uns unter Druck gesetzt, Olivia sterilisieren zu lassen. Ist das zu fassen? Wir sollten ihr mit dreizehn die Eileiter kappen lassen, damit sie nie ihre Periode oder gar ein Kind bekommt.«
Ereka schiebt sich eine Handvoll Chips in den Mund.
Ich fange Helens Blick auf. Vielleicht denken wir beide dasselbe: Wäre es nicht leichter – gnädiger? –, Olivia und Ereka die Last zu ersparen? Kann man realistisch davon ausgehen, dass Olivia jemals schwanger werden oder ein Kind gebären wird? Falls ja, müsste Ereka sich um die Enkelkinder kümmern. Olivia kann ja nicht einmal richtig für sich selbst sorgen.
»Das macht mich ganz krank«, fährt Ereka fort. »Ihr werdet nicht glauben, wie üblich das inzwischen bei Mädchen mit geistiger Behinderung ist. Schließlich geht es vor allem darum, was praktisch für die Familie ist, und nicht darum, was das Beste für die Frau oder das junge Mädchen ist.« Ihre Wangen sind gerötet.
Ich rutsche unbehaglich auf meinem Stuhl herum. Praktisch für die Familie. Ein Satz, den ich nicht sonderlich mag. Aus Erfahrung.
Das Erlebnis ist kein
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