Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
sind als »kein Radiogedudel im Auto« oder ein Spaziergang am frühen Abend) klaffen immer weiter auseinander, während unsere Kinder ihre Wünsche und Ansprüche mit zunehmender Lautstärke anmelden. Falls ich es wagen sollte, auch nur anzudeuten, dass meine Bedürfnisse genauso wichtig seien wie ihre, spielen sie einen Trumpf aus, dem ich nichts entgegensetzen kann: »Ich habe nicht darum gebeten, auf die Welt zu kommen, oder?« Da ich sie hierhergeholt habe, bin ich offenbar allein für ihr Glück zuständig, und mein dringendes Bedürfnis kann gefälligst warten, bis sie mit dem Zähneputzen fertig sind und das Bad frei ist.
Frank und ich streiten uns kaum, wohingegen sich die Montagues und die Capulets von der giftigen Feindseligkeit zwischen meinen Sprösslingen noch etwas abschneiden könnten. Ich verwende unzählige Stunden meiner Lebenszeit darauf, einen Waffenstillstand nach dem anderen auszuhandeln. Es ist wie in einem Kriegsgebiet, in dem erbittert um so wichtige Dinge wie eine Fernbedienung oder die letzte knusprige Tortilla gekämpft wird. Bis der Tag um ist, bin ich fix und fertig – es ist mir ein Rätsel, wie Ban Ki-moon ohne eine Flasche Wodka in der untersten Schreibtischschublade auskommt. Der arme Kerl.
Am frühen Abend flammen regelmäßig neue Keifgefechte auf.
Jamie (schrilles Kreischen): »Du kleiner Rotzlöffel.«
Aaron: »Dumme Kuh.«
»Denkt doch nur mal an die armen Einzelkinder, die niemanden haben, mit dem sie reden oder spielen können. Sie sind ganz allein«, werfe ich ein und bemühe mich, so viel Leid wie nur möglich in die beiden letzten Worte zu legen.
Jamie: »Ich wäre lieber allein. Er hat alles verdorben.«
Aaron: »Können wir sie nicht bei eBay verscherbeln oder gegen einen kleinen Bruder umtauschen?«
Jamie: »Wenn ich noch ein einziges Wort über Basketball höre, erwürge ich ihn.«
Aaron: »Wenn ich noch ein einziges Wort über Jungen höre, kotze ich.«
Ich kann mir vorstellen, dass Isaak ganz ähnlich zumute war, als er mit ansehen musste, wie es mit Jakob und Esau immer schlimmer wurde. Es ist ein endloser Kreislauf kleinlicher Zankerei. Bis Die Simpsons kommen. Dann ruft Aaron seine Schwester, und sie sitzen einträchtig auf dem Sofa. Und lachen über Bart. Das ist entweder total normal oder völlig psychotisch.
Neulich bin ich während einem ihrer üblichen Wettkämpfe im Beleidigungs-Weitwurf in Tränen ausgebrochen. »Warum? Was soll das? Ich halte das keine Minute länger aus.« Das war keine absichtliche Theatralik. Ich hatte nur nicht gut geschlafen.
Sie hielten mitten in ihren gegenseitigen Beschimpfungen inne und setzten sich links und rechts neben mich. Jamie streichelte mir den Rücken, und Aaron nahm meine Hand. Sie erklärten mir, dass sie sich ja nicht direkt hassten. Also, so richtig. Nur manchmal. Zum Beispiel, wenn er oder sie gemein, wach oder auf der Toilette war, obwohl der andere sie dringender brauchte, oder die Fernbedienung einfach nicht hergab. Sie versprachen, sich besser zu vertragen oder es wenigstens zu versuchen. Der restliche Tag nach meinem Gefühlsausbruch verlief übrigens deutlich ruhiger. Ihr seht also: Mich wie eine Erwachsene zu benehmen ist reine Zeitverschwendung. Ich erziele bessere Ergebnisse, wenn ich mich auf das Niveau meiner Kinder hinabsinken lasse. Das bringt die Erwachsenen in ihnen zum Vorschein. Wenn ich verzweifelt bin, breche ich jetzt in hysterisches Schluchzen aus. Damit erkaufe ich mir dann meistens ein paar Tage Frieden.
Mehr will ich doch gar nicht. Ein bisschen Ruhe zum Dank für alles, was ich für sie opfere. Offen gestanden, bringe ich nun schon seit einer ganzen Weile Opfer. Anfangs beispielsweise meinen Schlaf, meine geistige Gesundheit, meinen intakten Körper. Nicht, dass ich mitzähle oder Buch führe, aber wir sind alle nur Menschen. Wenn wir etwas für andere opfern, hoffen wir automatisch, irgendwann in der Zukunft dafür belohnt zu werden. Oder zumindest, dass die Aufopferei eines Tages endet und jemand anderes damit dran ist.
Aber während die Kinder älter werden, mache ich die Erfahrung, auf wie vielfältige Weise man ein wandelndes Menschenopfer sein kann. Da gibt es Möglichkeiten, die einem im Traum nicht einfallen würden, bis man eines Tages seinen kostbaren Termin mit dem Personal Trainer wegen eines Elternabends absagt, anstelle eines lang ersehnten, entspannenden Urlaubs vor der Ocean World Schlange steht, um sich Killerwale anzuschauen, die einem schnurzegal sind, oder
Weitere Kostenlose Bücher