Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
Geheimnis – wenn Ereka mich je danach fragen sollte, würde ich es ihr erzählen. Außerdem war das lange, bevor wir uns kannten. Ich habe damals in Afrika bei einer Frauenrechtsorganisation gearbeitet, der Women’s Alliance for Gender Equality. Dort wandten sich unter anderem Angelas Eltern an mich, auf den ersten Blick sehr nette Menschen. Angela war ihre älteste Tochter und lebte wegen einer schweren geistigen Behinderung in einem Heim. Sie war im sechsten Monat schwanger, weil sie vergewaltigt worden war. Vermutlich von einem Pfleger, doch da wir das nicht herausfinden oder beweisen konnten, spielte es weiter keine Rolle. Ihre Eltern bestanden auf einen Schwangerschaftsabbruch, was bei einer derart weit fortgeschrittenen Schwangerschaft nur legal war, wenn deren Fortbestehen das Leben der Frau gefährdete – und Angela war körperlich vollkommen gesund. Ich sprach die Eltern nicht auf das an, was mich an dem Fall am brennendsten interessierte: warum es so lange gedauert hatte, bis das jemandem aufgefallen war, oder warum offenbar niemand das Mädchen seit einem halben Jahr besucht hatte. Ganz gleich, wie man zum Thema Abtreibung steht, der Begriff »Abbruch« ist im sechsten Monat nicht mehr zutreffend für das, was man da tut.
Ich hatte gute Verbindungen zu den richtigen Stellen, daher wurde der »Schwangerschaftsabbruch« genehmigt und Angela Delaney sterilisiert. Dem Wunsch ihrer Eltern wurde also entsprochen. Ich weiß, dass Angela niemals ein Kind hätte versorgen können, aber sie hätte dieses Baby zur Welt bringen und es mit entsprechender Hilfe vielleicht sogar stillen können. Danach hätte man das Baby zur Adoption freigeben können. Aber all das war nicht praktisch für die Familie. Dennoch verurteile ich mich nicht dafür. Das war eben mein Job.
»Es ist schon schwer genug, zu entscheiden, auf welche Schule man sein Kind schickt oder ob man sein Einverständnis zu einer medizinisch notwendigen Operation geben soll«, bemerkt Helen.
»Jake und ich haben uns noch nie gestritten, wenn es um Olivia ging – bis auf diesen einen Punkt.«
»Und, wer hat gewonnen?«, frage ich.
»Ich«, antwortet Ereka ohne einen Hauch von Triumph. »Wir werden Olivia nicht sterilisieren lassen. Es ist ihr Körper. Wir können ihr doch nicht das Recht auf ihre Menstruation nehmen.«
Um ehrlich zu sein, habe ich die Menstruation noch nie als Recht betrachtet, sondern eher als biologisch notwendiges Übel. Je länger ich selbst darunter leide, desto stärker wird meine Überzeugung, dass keine Frau mit zwölf damit anfangen muss, wenn die meisten von uns inzwischen siebzig oder achtzig Jahre alt werden. Sollte die moderne Medizin nicht längst eine Möglichkeit gefunden haben, wie wir zwischen dem achtundzwanzigsten und dem dreiundvierzigsten Lebensjahr fünfzehn Jahre lang menstruieren können, damit wir dann Kinder bekommen, wenn es unserer Karriere gerade nicht so sehr schadet? Dank der modernen Technologie könnten wir dann beides haben, wie der Feminismus es uns einst versprochen hat.
Ich freue mich aufrichtig darüber, dass Jamie ihre Periode bekommen hat (sie ist also normal und kann selbst Kinder bekommen, wenn sie das irgendwann will), aber mit meiner bin ich fertig. Seit zweiunddreißig Jahren blute ich alle dreiundzwanzig Tage eine ganze Woche lang. Wenn man das mal ausrechnet, kommt man auf einhundertfünf Tage Blutungen im Jahr, das macht dreitausenddreihundertzweiunddreißig Tage in meinem bisherigen Leben. Wir reden hier von zusammengerechnet neun Jahren überflüssigen Leidens, von ruinierten Bettlaken aus teurer ägyptischer Baumwolle, dem Verlust von Lieblingshöschen, dem erzwungenen Verzicht auf ausgedehnte Wanderungen durch Regenwälder, Schwimmen unter Wasserfällen und in Weltmeeren sowie One-Night-Stands mit attraktiven Fremden, die ich nie im Leben wiedersehen werde. Es mag egoistisch von mir sein, dass ich die Kopfschmerzen, Wassereinlagerungen und Stimmungsschwankungen gern los wäre. Abgesehen davon belasten all die Tampons, Binden und Slipeinlagen, die man jeden Monat braucht, nur unnötig die Umwelt. Auch nur eine von uns zu sterilisieren wäre bereits ein Beitrag zur Rettung des Planeten. Denkt mal darüber nach.
Natürlich würde ich so etwas niemals zu Jamie sagen, die gerade erst ihre Periode bekommen hat. Ich will nicht, dass sie ihre Menstruation als Fluch oder Last oder gar eine biologische Ungerechtigkeit betrachtet. Obwohl es letztlich genau das ist. Ich persönlich
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