Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
vermischten sich, flossen ineinander. Als sie bei ihrer ersten Impfung mit sechs Wochen weinte, weinte ich mit. Mutter zu werden hat mich wie einen ausziehbaren Tisch erweitert. Ich war nicht länger ein Mensch, sondern zwei. Und mit Aaron wurde ich drei. Dreimal so viele Dinge verletzten, ängstigten, begeisterten und fesselten mich. Das war klaustrophobisch und viel zu viel für eine Person. Aber das wird zu einer neuen Lebensweise, durch die man sich selbst immer besser versteht.
Als die beiden begannen, sich nach innen zu wenden und mich auszuschließen, verschlug es mir erst einmal den Atem. Ich hatte keinen freien Zugang mehr – zum Bad, zu ihren Zimmern, zu ihren Ängsten. Heute muss ich erraten, ob sie einen schlimmen Tag hatten oder nicht, denn mir vertrauen sie das nicht mehr an. Ich kann mir nur vorstellen, wofür sie ihr Taschengeld ausgeben – ich erfahre es nicht. Natürlich bin ich froh darüber, dass sie ihre Geheimnisse haben. Jedenfalls froh im Sinne von »Ich erkenne und respektiere deine Privatsphäre«. Ich habe mich immer berechtigt gefühlt, ihren Schmerz für sie zu ertragen, ihre Zurückweisungen, Enttäuschungen und ihren Kummer mitzuempfinden. Doch die Berechtigung ist abgelaufen. Meine neue Aufgabe besteht darin, mit dem Schmerz darüber klarzukommen, dass ich keinen Anteil an ihrem Schmerz mehr habe und ihnen nicht mehr vorleben kann, wie man mit all jenen Dingen fertig wird, die am Menschsein so ätzend sind.
Bedauerlicherweise werden wir dadurch, dass wir Kinder bekommen, nicht automatisch zu sanften, mitfühlenden Vorbildern, die den beispielhaften Umgang mit Krisen, Verlusten und Zurückweisung vorleben. Daher stecken unsere Kinder mächtig in der Sch…, wenn wir schon von vornherein engstirnige, kleinkarierte, gemeine Materialisten sind.
Mir gefällt dieses Kinderzimmer, in dem die Kindheit vergangener Zeiten eingefroren ist. Ich fühle mich darin geborgen, als könnte ich hier gut schlafen.
Auch in die anderen Räume werfe ich einen Blick. CJ und Summer werden sich wahrscheinlich das andere Zimmer mit den zwei Einzelbetten teilen, und wie ich sehe, hat Ereka sich den Raum mit dem Doppelbett ausgesucht. Virginia wird sich dann vermutlich bei Helen einquartieren.
Von unten höre ich Helen verlockend gurren: »Cocktailstunde!« Ich sage Maeve Bescheid und gehe die Treppe hinunter, vorbei an dem wachsamen Spiegel und auf das Gegacker von der Terrasse zu. Hoffentlich hat CJ inzwischen ein anderes Thema gefunden als Harveys sensationelle Fähigkeiten.
Helen steht am Tisch und presst mit CJs Hilfe Limetten für irgendeinen tödlichen Drink mit Wodka und Zucker aus. Als könnte ich davon auch nur einen Schluck trinken.
Sie schenkt das Gebräu in kleine Gläser. Summer rutscht von der Hängematte, nimmt sich eine Cola light und zieht ihren Pulli aus. Ihr Bauch blitzt kurz hervor, auf dem ein Nabelpiercing und ein kleines Tattoo einer Schwalbe prangen. Trotz der drei Kinder ist von Schwangerschaftsstreifen weit und breit keine Spur. Entweder haben die Schwangerschaften bei ihr keine Spuren hinterlassen, oder da wurde chirurgisch nachgeholfen. Ich setze mich in einen der hängenden Korbsessel und wünschte, meine Bauchmuskeln würden der ganzen Welt demonstrieren, wie viel Zeit ich ihnen widme. Maeve kommt heraus, in ein handgestricktes mexikanisches Schultertuch gewickelt.
»Ach, was für ein Spaß«, singt Summer, nimmt zwei Cocktailgläser und reicht eines Ereka.
CJ kippt ihren Drink in einem Zug herunter.
»Maeve, was machst du eigentlich beruflich?«, erkundigt sich Summer.
»Ich bin Ethnologin.«
Summer blinzelt. »Ist das jemand, der nach alten Knochen und Fossilien und so was gräbt?«
Maeve schluckt. »Nein. Das wäre ein Archäologe.«
»Was macht eine Ethnologin noch mal genau?«, fragt Helen.
»Wir studieren verschiedene Kulturen und Lebensweisen – eine wissenschaftliche Betrachtung der Menschheit.«
»Maeve ist sogar Ethnologieprofessorin«, füge ich gedehnt hinzu.
»Ich glaube, ich habe noch nie eine richtige Professorin kennengelernt«, sagt Summer. »Nein, stimmt gar nicht. Einmal habe ich einem Nigerianer ein Haus verkauft. Der war Professor für – was war das noch? Pharmazie oder Forensik … na ja, irgendwas mit F.«
Ich werde ein paar starke Drinks brauchen, um den Abend zu überstehen. »Wo bleibt deine Freundin Virginia?«, frage ich Helen.
»Sie kommt, wenn sie kommt.«
»Wer macht heute Abendessen?«, fragt Ereka.
»Ich«, antwortet
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