Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
den sie nicht wieder lebend verlassen sollte, erhaschte sie einen Blick auf ihren attraktiven jungen Arzt und beklagte sich bei der Krankenschwester: »Du meine Güte, sieht mein Haar sehr schlimm aus?«
Auf einmal schnürt mir ein ungutes Gefühl die Kehle zu: Meine Sorge, Callum könnte einen Blick auf meine nackten Brüste geworfen haben, kommt den Worten meiner Großmutter Sophie ziemlich nahe. Ich frage mich, wo er jetzt wohl ist und was er mit dieser Menge an Bizepsen und Trizepsen wohl anfängt. Ob er vielleicht später am Abend noch mal vorbeikommen wird, um nach uns zu sehen. Ich ertappe mich dabei, dass ich genau das hoffe. Aber falls er irgendjemanden von uns sexy finden würde, dann wahrscheinlich Summer. Daran können noch so viele Pilates-Stunden und Collagen-Cremes nichts ändern.
Frank, der Gute, sagt mir oft, dass er mich »immer noch sexy« finde. Obwohl mir dieses relativierende »immer noch« leichte Bauchschmerzen verursacht, lautet die schlichte Wahrheit, dass er nicht zählt. Er ist mein Ehemann. Es ist seine Pflicht, mich sexy zu finden, ob er will oder nicht. Der wahre Gradmesser ist, ob andere Männer mich attraktiv finden. Aber weil ich verheiratet bin, würden vermutlich sogar diejenigen, die mich sexy finden, nicht mal daran denken, das auszusprechen. Immerhin könnten einige Leute solche Komplimente leicht missverstehen, zum Beispiel mein Mann.
Es klingelt an der Tür.
»Ich gehe schon«, schreit Helen und schießt von der Terrasse zur Haustür. Die anderen folgen ihr, Maeve allen voran.
»Zuki!«, höre ich von drinnen.
»Cati!« Helen lacht, und dann höre ich nur noch Gekicher, in das sich Hundegebell ähnliche Laute mischen, aber da muss ich mich verhört haben.
Dann stellt Helen uns Virginia vor. Sie ist groß, über eins achtzig, ungeschminkt, hat ein eher kantiges Gesicht mit hohen Wangenknochen und kurzes, ergrauendes Haar. Die weite hellbraune Leinenbluse mit Jeans und die braunen Lederstiefel mit Schnallen haben legeren Schick. Als sie lächelt, enthüllt sie einen Mund voll Metallspangen, die aussehen, als wären sie im falschen Gesicht gelandet, wie Make-up an kleinen Mädchen. Sie winkt uns mit einer Hand, die in einem Handgelenkschoner steckt und eine Flasche umklammert – ist das Moët? Allerdings bin ich viel zu sehr damit beschäftigt, den übergewichtigen Hund anzustarren, der unter ihrem anderen Arm klemmt, um sie ordentlich zu begrüßen.
Sie sieht, wie ich den Hund betrachte.
»Tut mir leid, der gehört meiner Mutter«, sagt sie, als erklärte das seine Anwesenheit. Sie setzt ihn auf den Boden, woraufhin der Hund sofort beginnt, aufgeregt zu schnüffeln und herumzuwuseln. Irgendwer hat den armen Kerl so sehr mit Essen vollgestopft, dass man ihn als ernsten Fall hundlicher Fettleibigkeit beschreiben muss.
»Ach, ich hätte Bones mitbringen sollen. Dann hättest du jemanden zum Spielen gehabt«, sagt Helen und krault den Hund am Kopf.
Virginia reicht ihr die Flasche Champagner. »Was ist hier mit dem Mobilfunknetz los? Ich habe keinen Empfang mehr, seit ich von der Hauptstraße abgebogen bin«, sagt Virginia zu Helen.
Helen zuckt mit den Schultern. »Könnte sein, dass die Berge im Weg sind. Aber du hast jetzt frei, also entspann dich.«
»Ich kann aber nicht das ganze Wochenende lang kein Netz haben. Ich muss Nachrichten und E-Mails beantworten – und Celia …«
»Ach ja, die hatte ich ganz vergessen.«
»Wo ist hier das Telefon?«, fragt Virginia.
Helen führt sie ins Foyer.
»Ich weiß nicht, ob Hunde hier erlaubt sind«, raune ich Maeve zu und hole mein Handy aus der Tasche.
Sie zuckt mit den Schultern und erwidert leise: »Das Haus ist groß, mach dir keine Gedanken … Außerdem wird er dich vor Schlangen warnen.«
Ich bin sicher nicht die Einzige, die es etwas zu ungezwungen findet, so spät zu einer Gruppe von Leuten zu stoßen, die man nicht kennt, noch dazu mit einem Haustier unter dem Arm. Erwartet sie vielleicht, dass wir sie wie eine alte Freundin begrüßen, nur weil sie eine Flasche Champagner in der Preisklasse einer Fettabsaugung mitgebracht hat? Woher will sie wissen, dass ich nicht etwa eine Hundeallergie habe? Ich habe das nie testen lassen. Ich will ja nicht gemein sein, aber jetzt mal im Ernst, das soll der coolste Mensch sein, den Helen kennt? Unverbaubare Aussicht vielleicht, aber mehr sehe ich da nicht. Irgendetwas entgeht mir wohl.
Mein Handy zeigt immer noch keine Nachrichten an, obwohl es Empfang hat. Ich stecke es
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